Castle 3: Heat Rises - Kaltgestellt (German Edition)
wusste dank ihrer Besprechung am Vortag Bescheid.
„Wegen Iron Man“, sagte Ochoa. Heat wettete darauf, dass das ihr neuer Spitzname für Captain Irons war. Sie wettete außerdem darauf, dass sie nicht die Ersten waren, die ihm diesen Namen gegeben hatten. „Er konzentriert sämtliche Ressourcen auf den Fall des toten Obdachlosen, obwohl sich die Sache als versehentliche Überdosis herausstellen wird.“
„Dieser Fall ist in jeder Hinsicht tot.“ Raley nickte in Richtung des Mordfallbretts für den Graf-Fall, das nachlässig abgewischt worden war und leer in der Halterung hing. Lediglich die blassen Überreste der Wörter, die Nikki mit ihren farbigen Stiften daraufgeschrieben hatte, wiesen noch auf seinen ursprünglichen Zweck hin.
„Das wirkt fast so, als würde es gelegen kommen“, meinte sie.
Ochoa kicherte. „Wissen Sie noch, wie wir Rook immer wegen seiner verrückten Verschwörungstheorien aufgezogen haben?“ Heat nickte und verbarg den Schmerz, den die Erwähnung seines Namens ihr bereitete. „Das ist nichts im Vergleich zu dem, was Rales und ich uns ausgedacht haben.“
„Irgendwelche Antworten?“, wollte Heat wissen.
„Nur eine“, erwiderte Raley. „Lassen Sie uns während Ihrer Auszeit wissen, was Sie brauchen.“
„Während Ihrer ‚Auszeit‘“, wiederholte Ochoa und betonte die Anführungszeichen.
Die einzige Befriedigung, die sie aus der entmutigenden Nachricht ziehen konnte, dass die Ermittlung im Graf-Fall eingestellt worden war, bestand darin, dass Captain Irons Sharon Hinesburg angewiesen hatte, als Obdachlose verkleidet auf eine Undercovermission zu gehen, sodass sie die Nacht in der Fußgängerunterführung im Riverside Park verbringen musste. „Lass es schneien“, sagte Nikki.
Aus einer Laune heraus – ja, aus einer Laune heraus, redete sie sich ein – loggte sich Heat in ihren Computer ein, damit sie sich ein PDF der Huddleston-Mordakte ausdrucken konnte, des Falls, in dem der damalige Detective Montrose im Jahr 2004 ermittelt hatte. Sie starrte ungläubig auf den Monitor.
Ihr Passwort funktionierte nicht.
Zugriff verweigert.
Nikki rief die Problembehandlungsnummer der IT-Abteilung an. Nach einem kurzen Moment in der Warteschleife war der Mitarbeiter wieder in der Leitung und entschuldigte sich. Er teilte ihr mit, dass sie aufgrund ihrer neuen Einstufung derzeit nicht autorisiert sei, den NYPD-Server zu benutzen.
Nachdem sie aufgelegt hatte, wurde Heat klar, wie falsch sie gelegen hatte. Sie war irrtümlicherweise davon ausgegangen, dass es nicht möglich war, sich noch erschütterter und einsamer zu fühlen. Als sie auf die Zweiundachtzigste Straße West hinaustrat, drehte sich Nikki herum, um sich dem eisigen Wind zu stellen, der vom Hudson durch die Stadt herüberwehte. Doch sie wusste, dass es keine Rolle spielen würde, wie lange sie dort stand, denn der Wind würde nie genug Kälte mitbringen können, um sie zu betäuben. Sie wandte dem luftigen Getöse den Rücken zu und stapfte in Richtung U-Bahn los, um nach Hause zu fahren.
„Lady-Lady!“, war das Letzte, was Heat vor dem Zusammenprall hörte. Sie wirbelte in die Richtung herum, aus der der Ruf gekommen war – genau eine Viertelsekunde bevor der Lieferfahrer und sein Fahrrad gegen sie krachten und sie auf die Columbus Avenue stießen. Sie landeten in einem wilden Knäuel – Arme, Beine und ein Fahrrad –, umgeben von zerrissenen Pappschachteln für Essenslieferungen, Brokkoli in Austernsoße, zerdrückten Wan Tans und einer Entenkeule. „Meine Lieferung ist ruiniert“, schimpfte er.
Nikki, die immer noch auf dem Boden lag und die Fahrradlenkstange vor dem Gesicht hatte, sah aus der Gosse zu ihm auf und erwiderte: „Sie sind in die falsche Richtung gefahren.“
„Hey, Sie können mich mal, Lady“, kam es zurück. Er zerrte sein Rad von Nikki herunter, raste davon und ließ sie und seine ruinierte Bestellung am Zebrastreifen neben der Avenue liegen. Während Heat beobachtete, wie die Stelle aus schmutzigem Schnee und Sand unter ihrem Gesicht von ihrem Blut rot gefärbt wurde, fragte sie sich für den Bruchteil einer Sekunde allen Ernstes, ob derjenige, der Montrose ermordet hatte, nun auch noch den verrückten Lieferjungen auf dem Fahrrad geschickt hatte, um sie ebenfalls zu töten. So war das wohl, wenn man erst mal damit angefangen hatte, sich Verschwörungstheorien auszudenken. Würde sie von jetzt an dauernd stehen bleiben, sich umschauen und sich fragen, wem auf dieser Welt sie noch
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