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Catch 22

Catch 22

Titel: Catch 22 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Heller
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zu schützen, denen seine beruflichen Pflichten ihn aussetzten. Er hatte auf vertrautem Fuße mit mehr als 900 unvertrauten Offizieren und Mannschaften zu stehen, die ihn für einen seltsamen Vogel hielten.
    Der Kaplan heftete die Augen auf die Seiten der Zeitschrift. Er prüfte jedes Bild zweimal und las aufmerksam die Bildunterschriften, während er seine Antwort zu einem grammatikalisch fehlerlosen, vollständigen Satz zusammenfaßte, den er mehrere Male in seinem Kopf probte und umstellte, ehe er schließlich den Mut fand, zu antworten. »Ich finde, daß es ein sehr moralisches und höchst lobenswertes Vorgehen ist, vor jedem Einsatz ein Gebet zu sprechen«, sagte er zaghaft und wartete.
    »Ja, schon«, sagte der Colonel. »Ich will aber wissen, ob Sie der Ansicht sind, daß solche Gebete auch hier wirken würden.«
    »Jawohl, Sir«, erwiderte der Kaplan nach einigen Augenblicken.
    »Ich bin der Ansicht, daß sie das tun würden.«
    »Dann möchte ich es gerne mal damit versuchen.« Auf den vollen, mehligen Wangen des Colonels zeigten sich rötliche Flecken der Begeisterung. Er stand auf und begann munter umherzugehen. »Bedenken Sie mal, was das in England stationierte Geschwader mit diesen Gebeten erreicht hat. Wir haben hier ein Bild in der Saturday Evening Post, das Bild eines Colonels, dessen Kaplan vor jedem Einsatz ein gemeinsames Gebet leitet.
    Wenn solche Gebete jenem Colonel genützt haben, dann sollten sie auch uns nützen. Wenn wir solche Gebete veranstalten, kommt vielleicht auch mein Bild in die Saturday Evening Post.«
    Der Colonel setzte sich wieder und lächelte verschwenderisch, in ferne Betrachtungen verloren. Der Kaplan ahnte nicht, welche Antwort von ihm erwartet wurde. Mit einem nachdenklichen Ausdruck auf seinem lächelnden, recht blassen Gesicht gestattete er seinem Blick, auf den großen Körben auszuruhen, die mit roten Tomaten gefüllt an den Wänden aufgereiht standen. Er tat so, als denke er sich eine Antwort aus. Nach einer Weile begriff er, daß er auf Reihen und Reihen von Körben voller roter Tomaten starrte, und die Frage, was denn Körbe voll roter Tomaten im Dienstzimmer des Geschwaderkommandeurs zu suchen hatten, beschäftigte ihn so, daß er die Gebetsstunde ganz vergaß, bis Colonel Cathcart freundlich abschweifte: »Möchten Sie welche kaufen, Kaplan? Die Tomaten stammen von dem Landgut, das Colonel Korn und ich da oben in den Bergen besitzen. Ich kann Ihnen einen Korb zum Großhandelspreis überlassen.«
    »O nein, vielen Dank, Sir.«
    »Macht nichts«, versicherte der Colonel großmütig. »Sie brauchen nicht zu kaufen. Milo nimmt uns mit Vergnügen die gesamte Ernte ab. Diese hier sind gestern gepflückt worden. Bemerken Sie, wie fest und reif sie sind, ganz wie die Brüste eines jungen Mädchens.«
    Der Kaplan errötete, und der Colonel begriff auf der Stelle, daß er einen Fehler begangen hatte. Beschämt senkte er den Kopf, und sein schwerfälliges Gesicht glühte. Seine Finger fühlten sich dick und unbeweglich an. Er empfand giftigen Haß gegen den Kaplan, weil dieser ein Kaplan war und aus einer Bemerkung, die, wie Colonel Cathcart wußte, unter anderen Umständen für witzig und weltmännisch gehalten worden wäre, eine grobe Taktlosigkeit machte. Er suchte deprimiert nach einem Ausweg, der sie beide aus dieser niederschmetternden Verlegenheit erlöst hätte. Dabei fiel ihm ein, daß der Kaplan nur ein Captain war, und sogleich richtete er sich wütend und empört schnaufend auf.
    Bei dem Gedanken daran, daß er beinahe von einem Mann gedemütigt worden wäre, der mit ihm fast gleichaltrig, aber nur Captain war, blähten sich seine Wangen vor Wut, und er wandte sich blitzschnell und rachsüchtig mit einem Ausdruck so mörderischer Abneigung gegen den Kaplan, daß dieser zu zittern begann. Der Colonel strafte ihn sadistisch mit einem langen, funkelnden, bösartigen, stummen, haßerfüllten Blick.
    »Wir sprachen wohl von etwas anderem«, rief er dem Kaplan endlich schneidend ins Gedächtnis. »Wir sprachen nicht von den festen, reifen Brüsten schöner junger Mädchen, sondern von etwas ganz anderem. Wir sprachen davon, vor jedem Einsatz im Unterrichtsraum einen Gottesdienst abzuhalten. Gibt es einen Grund, der dagegen spricht?«
    »Nein, Sir«, murmelte der Kaplan.
    »Dann werden wir heute nachmittag damit beginnen.«
    Als der Colonel sich den Einzelheiten zuwandte, verminderte sich seine Feindseligkeit nach und nach. »Ich wünsche, daß Sie sich genau

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