Catch 22
Befehl!«
Yossarián wurde so übel, daß er beinahe lazarettreif war, und drei Feindflüge später, als Doc Daneeka wiederum sein melancholisches Haupt schüttelte und sich weigerte, ihn fluguntauglich zu schreiben, wurde ihm noch übler.
»Du glaubst wohl, es ginge dir schlecht?« tadelte Doc Daneeka jammernd. »Was soll ich da erst sagen? Acht Jahre lang habe ich auf Arzt studiert und mich dabei von Erdnüssen ernährt. Dann habe ich in meiner eigenen Praxis Hühnerfutter gegessen, bis die Unkosten herauskamen. Und als der Laden endlich anfing, Gewinn abzuwerfen, da hat man mich eingezogen. Ich möchte wirklich mal wissen, worüber du dich beklagst?«
Doc Daneeka war Yossariáns Freund und stets bereit, nichts, was in seinen Kräften stand, für ihn zu tun. Yossarián hörte aufmerksam zu, als Doc Daneeka ihm von dem Geschwaderkommandeur Colonel Cathcart erzählte, der gerne General gewesen wäre, vom Gruppenkommandeur Dreedle und von General Dreedles Pflegerin, und von all den anderen Generälen im Hauptquartier der 27. Luftflotte, die von ihren Leuten nicht mehr als vierzig Feindflüge verlangten und sie dann nach Hause schickten.
»So etwas nimmt man lächelnd hin und findet sich damit ab«, riet er Yossarián düster. »Sei doch ein bißchen wie Havermeyer.«
Dieser Vorschlag ließ Yossarián erschauern. Havermeyer war ein Bombenschütze, der beim Anflug aufs Ziel nicht das kleinste Ausweichmanöver machte und auf diese Weise die Gefahr für alle Besatzungen erhöhte, die in der gleichen Formation flogen.
»Warum, zum Teufel, fliegst du nie ein Ausweichmanöver, Havermeyer?« verlangten die anderen wutentbrannt nach dem Einsatz zu wissen.
»He da, laßt Captain Havermeyer in Ruhe, Leute«, pflegte Colonel Cathcart dann zu befehlen. »Er ist unser bester Bombenschütze.«
Havermeyer grinste und nickte und versuchte zu erklären, wie er mit dem Jagdmesser die Dum-Dumgeschosse herstellte, mit denen er jeden Abend in seinem Zelt auf Feldmäuse schoß. Havermeyer war zwar der beste Bombenschütze des Geschwaders, doch flog er schnurgerade und in gleicher Höhe vom Ausgangspunkt bis zum Ziel und noch darüber hinaus, während er zusah, wie die abgeworfenen Bomben einschlugen und in orangefarbenen Blitzen explodierten, die unter dem Schleier von Rauch und aufgewirbeltem Trümmerstaub, der in grauschwarzen Schwaden dahinzog, hier und dort aufzuckten. Havermeyer brachte es fertig, daß die Besatzungen in den sechs Maschinen stumm und reglos wie Lockvögel dasaßen, während er ganz in diesen Anblick vertieft den Weg der Bomben durch das Plexiglas der Kanzel verfolgte und den deutschen Kanonieren da unten genügend Zeit ließ, ihre Geschütze zu richten und den Abzug zu ziehen, die Leine zu reißen oder den Knopf zu drücken, oder was immer sie nun taten, wenn sie Leute umbringen wollten, die ihnen persönlich ganz unbekannt waren.
Havermeyer war ein unfehlbarer Bombenschütze und flog in der Führermaschine. Yossarián war ein Bombenschütze, der nicht mehr in der Führermaschine fliegen durfte, weil es ihm gleichgültig war, ob er das Ziel verfehlte oder nicht. Yossarián hatte beschlossen, ewig zu leben oder bei dem entsprechenden Versuch umzukommen, und wenn er aufstieg, tat er das in keiner anderen Absicht, als lebend wieder herunterzukommen.
Die anderen waren mit Vergnügen hinter Yossarián geflogen, denn er brauste von allen Seiten und in jeder Höhe zugleich auf das Ziel los, er stieg und stürzte, er drehte und wendete so scharf und steil, daß die Piloten der anderen fünf Maschinen alle Hände voll zu tun hatten, um in Formation zu bleiben, und er flog nur während der zwei oder drei Sekunden geradeaus, wenn die Bomben abgeworfen wurden; dann donnerte er wieder mit gequält aufheulenden Motoren davon und riß seine Maschine so heftig im Zickzack durch das ekelhafte Sperrfeuer der Flak, daß die sechs Bomber des Verbandes bald über den ganzen Himmel verstreut waren wie Gebete, jeder einzelne ein gefundenes Fressen für die deutschen Jäger, was Yossarián nur recht war, denn deutsche Jäger gab es nicht mehr, und er wollte keine explodierenden Flugzeuge in seiner Nähe haben. Erst wenn der ganze Höllentanz weit hinter ihm lag, schob er erschöpft den Helm aus der schweißnassen Stirn und hörte auf, McWatt am Steuerknüppel Kommandos zuzubrüllen, dem in solch einem Augenblick nichts besseres einfiel als zu fragen, wohin die Bomben gefallen seien?
»Bombenschacht leer«, pflegte Sergeant Knight
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