Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Catch 22

Catch 22

Titel: Catch 22 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Heller
Vom Netzwerk:
zu sehen, was hinter seinem Rücken vorging. Eben noch war kein Yossarián in seinem Leben vorgekommen, jetzt aber vermehrten sie sich schon wie die Trolle.
    Er versuchte, sich zu fassen. Yossarián war kein gängiger Name; vielleicht gab es in Wirklichkeit nicht drei, sondern nur zwei, vielleicht nur einen Yossarián — aber das änderte im Grunde nichts! Der Colonel fühlte sich immer noch bedroht. Sein Instinkt sagte ihm, daß er sich einem ungeheueren, geheimnisvollen kosmischen Höhepunkt nähere, und bei dem Gedanken, daß Yossarián, wer immer das nun am Ende sein mochte, ihm zur Nemesis bestimmt sein könnte, geriet die breite, fleischige, hochaufragende Gestalt des Colonels von Kopf bis Fuß ins Zittern.
    Colonel Cathcart war nicht abergläubisch, glaubte jedoch an Vorzeichen. Er setzte sich daher entschlossen an den Tisch und verfaßte eine kurze Notiz des Inhalts, unverzüglich die verdächtige Affäre Yossarián zu durchleuchten. Er verfaßte diese Weisung an sich selbst in schwerer, entschlossener Handschrift, gab ihr größeres Gewicht durch eine Reihe von Ausrufungszeichen und unterstrich das Ganze zweimal, so daß es schließlich folgendermaßen aussah: Yossarián ! ! ! (?) !
    Nachdem er damit fertig war, lehnte sich der Colonel zurück, höchst zufrieden mit sich, weil er angesichts einer unheimlichen Krise schnell und entschlossen gehandelt hatte. Yossarián — schon der Anblick des Namens ließ ihn erschauern. Es waren so viele esse darin. Der Name mußte einfach subversiv sein: Er glich geradezu dem Wort subversiv. Er ähnelte den Worten sozialistisch, faschistisch, hinterlistig, kommunistisch. Es war ein widerwärtiger, ausländischer, ekelhafter Name, ein Name der ganz einfach kein Vertrauen erweckte. Dieser Name glich nicht solch sauberen, knappen, ehrlichen amerikanischen Namen wie Cathcart, Peckem und Dreedle.
    Colonel Cathcart erhob sich langsam und begann, von neuem im Zimmer umherzugehen. Fast ohne es zu merken, brach er von einem der Büschel eine Tomate ab und biß gierig hinein; gleich darauf verzog er das Gesicht und warf den Rest der Tomate in seinen Papierkorb. Der Colonel schätzte Tomaten nicht, nicht einmal, wenn es seine eigenen waren, und diese waren nicht seine eigenen. Diese Tomaten hatte Colonel Korn in verschiedenen Verkleidungen auf verschiedenen Märkten von Pianosa eingekauft, hatte sie in tiefer Nacht zu dem in den Bergen gelegenen Landhaus Colonel Cathcarts transportieren und am nächsten Morgen ins Stabsgebäude schaffen lassen, um sie Milo zu verkaufen, der an Colonel Cathcart und Colonel Korn Höchstpreise zahlte. Colonel Cathcart fragte sich häufig, ob diese Manipulation mit den Tomaten legal sei. Colonel Korn versicherte ihm aber, daß es sich so verhalte, und er bemühe sich, nicht zu oft darüber nachzudenken. Er vermochte auch nicht herauszubekommen, ob die Sache mit dem Landhaus in den Bergen legal war, da Colonel Korn alle Einzelheiten selber geregelt hatte. Colonel Cathcart wußte nicht, ob ihm das Haus gehörte, oder ob er der Mieter war, wer es ihm vermietete, und wieviel es kostete, falls es überhaupt etwas kostete. Colonel Korn war der Advokat, und wenn Colonel Korn ihm versicherte, daß Betrug, Erpressung, Devisenvergehen, Unterschlagung, Steuerhinterziehung und Spekulationen auf dem Schwarzen Markt nichts Ungesetzliches waren, so sah Colonel Cathcart sich einfach nicht in der Lage, anderer Meinung zu sein.
    Colonel Cathcart wußte von diesem Haus in den Bergen nichts weiter, als daß er es besaß und verabscheute. Niemals langweilte er sich so, wie während der zwei oder drei Tage, die er eine um die andere Woche dort zubringen mußte, damit die Illusion aufrecht erhalten wurde, das feuchte, zugige Landhaus in den Bergen sei ein güldener Tempel fleischlicher Genüsse. In allen Offiziersklubs flüsterte man verschwommen, aber mit wissenden Gesichtern von üppigen, verschwiegenen Alkohol- und Sexualorgien, die sich dort ereignet hatten, und von geheimen, intimen, ekstatischen Nächten mit den schönsten, aufreizendsten, bereitwilligsten und am leichtesten zu befriedigenden italienischen Kurtisanen, Filmschauspielerinnen, Mannequins und Gräfinnen.
    Nie hatte sich auch nur eine einzige solche Nacht der Ekstasen oder der vertuschten Alkohol- und Sexualorgien ereignet. Sie hätten sich vielleicht ereignet, wenn General Dreedle oder General Peckem auch nur ein einziges Mal Lust gezeigt hätten, sich an Colonel Cathcarts Orgien zu beteiligen, doch das tat

Weitere Kostenlose Bücher