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Catch 22

Catch 22

Titel: Catch 22 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Heller
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erhob sich, von Angst geschüttelt, er kam sich klebrig und fett vor und rannte zum offenen Fenster, um frische Luft zu schnappen. Dabei fiel sein Blick auf den Tontaubenschießstand, und er taumelte mit einem gequälten Aufschrei zurück. Er glotzte mit irren Blicken um sich, als sähe er überall Yossariáns.
    Niemand liebte ihn. General Dreedle haßte ihn, General Peckem allerdings mochte ihn leiden, wenn er dessen auch nicht sicher sein konnte, da Colonel Cargill, der Gehilfe von General Peckem, zweifellos eigene Ziele verfolgte, und ihn vermutlich bei jeder sich bietenden Gelegenheit bei General Peckem anschwärzte. Er kam zu dem Ergebnis, daß nur ein toter Colonel ein guter Colonel ist, ausgenommen natürlich er selber. Der einzige Colonel, dem er vertraute, war Colonel Moodus, und selbst der hatte einen Vorsprung bei seinem Schwiegervater. Milo war selbstverständlich für ihn ein großer Stein im Brett, wenngleich es ihm vermutlich schreckliche Minuspunkte eingetragen hatte, daß das Geschwader von Milos Maschinen bombardiert worden war, obschon Milo schließlich allen Protest zum Schweigen gebracht hatte, indem er auf den erheblichen Reingewinn verwies, den das Syndikat durch diese Schiebung mit dem Feind realisiert hatte, was jedermann davon überzeugte, daß die Bombardierung der eigenen Leute und Flugzeuge im Grunde einen anerkennenswerten und einträglichen Sieg des privaten Unternehmergeistes darstellte. Im Hinblick auf Milo litt der Colonel unter einer gewissen Unsicherheit, denn andere Colonels versuchten, Milo abzuwerben, und Colonel Cathcart hatte immer noch den gräßlichen Häuptling White Halfoat im Geschwader, der, wie der gräßliche, faule Captain Black versicherte, im Grunde für die Verschiebung der HKL während der Großmächtigen Belagerung von Bologna verantwortlich gewesen war. Colonel Cathcart hatte eine Schwäche für Häuptling White Halfoat, weil der Häuptling den gräßlichen Colonel Moodus auf die Nase zu schlagen pflegte, wenn der Häuptling sich betrank und Colonel Moodus gerade in der Nähe war. Er wünschte, Häuptling White Halfoat möge auch Colonel Korn die feiste Visage einschlagen. Colonel Korn war ein gräßlicher Klugscheißer. Beim Hauptquartier der 27. Luftflotte war er schlecht angeschrieben, denn irgend jemand dort ließ jeden seiner Berichte mit tadelnden Randbemerkungen zurückgehen, und Colonel Korn hatte eine gewitzte Postordonnanz namens Wintergreen bestochen, um herauszubekommen, wer eigentlich die Berichte zurückschickte. Colonel Cathcart mußte sich eingestehen, daß der Verlust des Bombers beim zweiten Anflug auf Ferrara sein Ansehen ebenso wenig gehoben hatte wie das Verschwinden jener anderen Maschine in der Wolke — das war ein Punkt, den er nicht einmal notiert hatte! Er versuchte, sich angestrengt darauf zu besinnen, ob Yossarián mit jener Maschine in der Wolke verloren gegangen war, begriff aber, daß Yossarián unmöglich mit jener Maschine in der Wolke verloren gegangen sein konnte, da er hier unten solchen Krach machte, nur weil er fünf Feindflüge mehr fliegen sollte.
    Wenn Yossarián sich widersetzte, überlegte Colonel Cathcart, waren sechzig Feindflüge vielleicht wirklich zu viel, doch fiel ihm ein, daß seine einzige greifbare Leistung eben darin bestand, seine Besatzungen zu zwingen, mehr Feindflüge zu fliegen als die Besatzungen aller anderen Geschwader. Wie Colonel Korn oft bemerkte, wimmelte es in diesem Krieg von Geschwaderkommandeuren, die nichts weiter taten als ihre Pflicht, und es bedurfte eben einer dramatischen Geste wie der, seinem Geschwader mehr Einsätze abzuverlangen als jeder andere Kommandeur, um seine einzigartigen Führerqualitäten ins rechte Licht zu rücken.
    Soweit er sehen konnte, schien sich keiner der Generäle seinem Vorgehen zu widersetzen, obwohl auch keiner, soweit er sehen konnte, davon besonders beeindruckt war, was ihm den Gedanken eingab, daß sechzig Feindflüge vielleicht längst nicht genug waren, und daß er die erforderliche Anzahl auf der Stelle auf siebzig, achtzig oder hundert heraufsetzen müßte, vielleicht sogar auf zweihundert, dreihundert oder sechstausend.
    Zweifellos würde er unter einem weltgewandten General wie Peckem sehr viel besser daran sein als unter einem so ungeschliffenen und dickfälligen Menschen wie General Dreedle, denn General Peckem besaß das Unterscheidungsvermögen, die Intelligenz und die hervorragende Universitätsbildung, die erforderlich waren, wollte man den

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