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Catch 22

Catch 22

Titel: Catch 22 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Heller
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vollen Wert Colonel Cathcarts erkennen, obgleich General Peckem sich niemals im geringsten hatte anmerken lassen, daß er Colonel Cathcart schätzte oder achtete. Colonel Cathcart glaubte, gewitzt genug zu sein, um zu wissen, daß sichtbare Zeichen der Wertschätzung zwischen weltgewandten, selbstbewußten Menschen wie er und General Peckem es waren, nicht vonnöten sind, da solche Persönlichkeiten einander schon aus der Entfernung kraft angeborenen, beiderseitigen Verständnisses Freundschaft entgegenbringen. Es genügte zu wissen, daß sie beide vom gleichen Schlage waren, und er begriff, daß es nur darauf ankam, diskret den rechten Augenblick für eine Bevorzugung abzuwarten, obwohl es Colonel Cathcarts Selbstachtung zusetzte, mit ansehen zu müssen, daß General Peckem ihn nie bevorzugte und sich keine Mühe gab, Colonel Cathcart mit seinem Wissen und seinen Kernsprüchen stärker zu beeindrucken als jeden beliebigen Zuhörer, Mannschaften nicht ausgenommen. Entweder kam Colonel Cathcart bei General Peckem nicht an, oder General Peckem war nicht die funkelnde, feinfühlige, intellektuelle, vorausschauende Persönlichkeit, für die er sich ausgab, und in Wirklichkeit war General Dreedle der sensitive, charmante, glänzende und weltgewandte Mann, bei dem er wesentlich besser fahren würde. Und plötzlich hatte Colonel Cathcart auch nicht mehr die geringste Ahnung, wie gut er eigentlich irgendwo angeschrieben war, und er hämmerte auf seinen Klingelknopf, damit Colonel Korn herbeigerannt käme, um ihm zu versichern, daß alle ihn liebten, daß Yossarián ein Hirngespinst sei und daß er in dem glänzenden, kühnen Feldzug, den er um den Generalsrang führte, hervorragende Fortschritte mache.
    In Wirklichkeit hatte Colonel Cathcart nicht die kleinste Chance, General zu werden. Einmal war da der Exgefreite Wintergreen, der ebenfalls General werden wollte und der jedes Schriftstück, das für Colonel Cathcart bestimmt oder in dem von ihm die Rede war und das ihm hätte nutzen können, abänderte, vernichtete, zurückwies oder falsch adressierte. Zum anderen war bereits ein General vorhanden, nämlich General Dreedle, der wußte, daß General Peckem nach seinem Posten trachtete, aber nicht wußte, wie er ihn daran hindern sollte.
    General Dreedle, der Kommandeur der Luftflotte, war ein barscher, untersetzter, faßbrüstiger Mann Anfang der Fünfzig. Seine Nase war eckig und rot, und er hatte dickliche weiße Augenlider, die seine kleinen grauen Augen umgaben wie Heiligenscheine.
    Er besaß eine Pflegerin und einen Schwiegersohn, und wenn er nicht gerade zuviel getrunken hatte, neigte er dazu, lange und bedeutend zu schweigen. General Dreedle hatte zuviel Zeit damit verbracht, seine Arbeit anständig zu tun, und jetzt war es zu spät. Neue Machtkonstellationen waren ohne ihn entstanden, und er wußte nicht, wie sich dagegen wehren. Wenn er sich gehen ließ, nahm sein hartes, unwirsches Gesicht einen düsteren, nachdenklichen Ausdruck an, der von Niederlage und Ratlosigkeit sprach. General Dreedle trank sehr viel. Seine Stimmungen waren unberechenbar und willkürlich. »Der Krieg ist die Hölle«, erklärte er oft, nüchtern oder betrunken, und er meinte es wirklich so, wenn ihn das auch nicht hinderte, seinen Lebensunterhalt mit dem Krieg zu verdienen und seinen Schwiegersohn mit ins Geschäft zu nehmen, obgleich die beiden sich dauernd miteinander zankten.
    »Dieser Stinkmops«, beklagte sich General Dreedle mit einem verächtlichen Grunzen über seinen Schwiegersohn bei jedem, der zufällig neben ihm an der Bar im Offizierskasino stand. »Alles, was er ist, verdankt er mir. Ich habe ihn gemacht, dieses schäbige Miststück! Er ist nämlich zu dumm, um aus eigener Kraft vorwärts zu kommen.«
    »Er hält sich für ein Genie«, pflegte Colonel Moodus dann schmollend seiner eigenen Zuhörerschaft am anderen Ende der Bar mitzuteilen. »Er verträgt keine Kritik und will keinen Rat annehmen.«
    »Er kann nichts weiter als Ratschläge erteilen«, bemerkte General Dreedle seinerseits knurrend. »Ohne meine Hilfe wäre er immer noch Korporal.«
    General Dreedle trat stets von seiner Pflegerin und von Colonel Moodus begleitet auf. Seine Pflegerin war ein Weibstück, so schmackhaft, wie man es nur wünschen konnte. Sie war pausbäckig, klein und blond. In den vollen Wangen saßen Grübchen, die blauen Augen strahlten, und ihr adrettes, lockiges Haar trug sie hochgekämmt. Sie lächelte jedermann zu und sprach nie, es sei denn,

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