Catch 22
hab' ich gesagt!« schrie Yossarián verängstigt, denn er fühlte sich hilflos in der Falle. Er begann zu frösteln, denn plötzlich war ihm sehr kalt und sehr schwach.
Aarfy schüttelte wieder bedauernd den Kopf und senkte sein obszönes, milchiges Ohr fast unmittelbar auf Yossariáns Gesicht. »Du mußt ein bißchen lauter sprechen, mein Freund. Du mußt schon etwas lauter sprechen.«
»Laß mich in Ruhe, du Schwein! Du blödes, dickfälliges Schwein, laß mich in Ruhe!« schluchzte Yossarián. Er wollte Aarfy prügeln, hatte aber nicht die Kraft, den Arm zu heben. Er beschloß statt dessen zu schlafen und sackte ohnmächtig zusammen.
Er war am Oberschenkel verwundet, und als er wieder zu sich kam, sah er, daß McWatt vor ihm kniete und sich um ihn bemühte. Er fühlte sich erleichtert, obwohl er Aarfys aufgedunsenes Engelsgesicht immer noch mit selbstgefälliger Neugier über McWatts Schulter blicken sah und fragte: »Wer hütet denn den Laden?« MC Watt ließ nicht erkennen, daß er ihn gehört hatte.
Mit wachsender Angst holte Yossarián tief Luft und wiederholte die Worte so laut er konnte.
McWatt sah auf. »Gott, bin ich glücklich, daß du noch lebst«, rief er und stieß einen mächtigen Seufzer aus. Die lustigen Runzeln um seine Augen waren weiß vor Gespanntheit und ölig von Schmutz, und er wand eine endlos lange Binde um die dicke Kompresse, die Yossarián störend auf der Innenseite seines Oberschenkels spürte. »Nately steuert. Der arme Junge hat fast geheult, als er hörte, daß es dich erwischt hat. Er glaubt immer noch, daß du tot bist. Sie haben eine Arterie getroffen, aber ich glaube, die Blutung steht. Ich habe dir Morphium gegeben.«
»Gib mir noch was.«
»Es ist vielleicht noch zu früh. Ich gebe dir noch was, wenn es anfängt, weh zu tun.«
»Es tut schon weh.«
»Na, was soll schon sein«, sagte McWatt und gab Yossarián noch eine Morphiuminjektion.
»Wenn du Nately sagst, daß es mir gut geht. ..« sagte Yossarián zu McWatt und verlor wieder das Bewußtsein. Alles verschwamm hinter einem Schleier aus erdbeerfarbener Gelatine, und ein mächtiges Summen schlug wie eine Welle über ihm zusammen. Als er zu sich kam, lag er in der Ambulanz und lächelte dem käferhaft trübsinnig verfinsterten Doc Daneeka aufmunternd zu, ehe die Welt wieder hinter einem rosenblattfarbenen Schleier verschwand, um endgültig in tiefste Schwärze und absolute Lautlosigkeit zu versinken.
Yossarián erwachte im Lazarett und schlief gleich wieder ein.
Als er neuerlich im Lazarett erwachte, roch es nicht mehr nach Äther, und Dunbar lag im Schlafanzug in dem Bett gegenüber und tat so, als sei er nicht Dunbar, sondern Ayn Fortiori.
Yossarián glaubte, Dunbar sei übergeschnappt. Er verzog den Mund skeptisch angesichts dieser Verwandlung Dunbars und ließ dann unruhig schlafend einen oder zwei Tage vergehen. Er erwachte in Abwesenheit der Krankenschwester und kroch vorsichtig aus dem Bett, um sich zu überzeugen. Der Fußboden schwankte wie das Badefloß am Strand, und die Nähte in seinem Oberschenkel bissen ihn ins Fleisch wie die spitzigen Zähne eines Fisches, als er über den Gang hinkte, um den Namen auf der Fiebertafel am Fuß von Dunbars Bett zu lesen, und weiß Gott, Dunbar hatte recht: er war nicht mehr Dunbar, sondern Leutnant A. Fortiori.
»Was ist da eigentlich los?«
A. Fortiori stieg aus dem Bett und bedeutete Yossarián, ihm zu folgen. Alles, was sich ihm bot, als Stütze benutzend, hinkte Yossarián in den Korridor und durch das benachbarte Krankenzimmer bis zu einem Bett, in dem sich ein gehetzt aussehender junger Mann mit bepickeltem Gesicht und fliehendem Kinn befand. Der gehetzte junge Mann richtete sich sogleich bei ihrem Näherkommen auf. A. Fortiori deutete mit dem Daumen über die Schulter und sagte »drück dich«. Der gehetzte junge Mann sprang aus dem Bett und lief weg. A. Fortiori kletterte in das Bett und wurde wieder Dunbar.
»Das war A. Fortiori«, erklärte Dunbar. »In deiner Abteilung war kein Bett mehr frei, und da hab ich mal Gebrauch von meinem Dienstgrad gemacht und den Kerl da in mein Bett gejagt. Übrigens ein sehr angenehmes Erlebnis, von seinem Dienstgrad Gebrauch zu machen, du solltest es mal probieren. Am besten probierst du es gleich, du siehst nämlich aus, als wolltest du umfallen.«
Yossarián glaubte ebenfalls, daß er umfallen werde. Er wandte sich an den ältlichen, lederhäutigen Mann mit dem schweren Unterkiefer, der in dem Bett neben Dunbar lag,
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