Catch 22
für alle.«
»Für alle«, beharrte Major Danby. »Auf diese Weise löst sich das ganze Problem von selbst.«
»Ist es etwa auch das beste für die Besatzungen, die immer noch mehr Einsätze fliegen müssen?«
Major Danby zuckte zurück und wandte das Gesicht gequält ab.
»Yossarián«, erwiderte er dann, »es nützt niemandem, wenn Sie Colonel Cathcart zwingen, Sie vors Kriegsgericht zu stellen und Ihnen jedes einzelne Verbrechen nachzuweisen, dessen er Sie beschuldigt. Man wird Sie jahrelang ins Gefängnis stecken und Ihnen Ihr ganzes Leben ruinieren.«
Yossarián lauschte mit wachsender Besorgnis. »Was will man mir denn vorwerfen?«
»Erwiesene Unfähigkeit über Ferrara, Insubordination, Fahnenflucht, Gehorsamsverweigerung im Angesicht des Feindes.«
Yossarián kniff ernüchtert die Backen ein. »Das alles kann man mir also vorwerfen? Ich habe doch für den Angriff auf Ferrara eine Auszeichnung erhalten. Wie kann man mir da jetzt Unfähigkeit bescheinigen?«
»Aarfy wird schwören, daß McWatt und Sie eine unrichtige Meldung gemacht haben.«
»Ja, das ist dem Schwein zuzutrauen!«
»Man wird Sie außerdem der Vergewaltigung, des Schwarzhandels, der Sabotage und des Verkaufs von Dienstgeheimnissen an den Feind für schuldig befinden.«
»Wie will man das beweisen? Ich habe nie etwas dergleichen getan.«
»Man hat aber Zeugen, die das beschwören werden. Man kann jede Menge Zeugen gegen Sie beibringen. Man braucht den Zeugen nur klarzumachen, daß Ihre Vernichtung dem Vaterland nützt. Und in gewisser Weise stimmt das ja auch.«
»In welcher Weise?« verlangte Yossarián in gedämpft feindseligem Ton zu wissen und stemmte sich mit seinem Ellenbogen hoch.
Major Danby wich etwas zurück und begann von neuem die Stirn zu betupfen. »Nun also, Yossarián«, stammelte er dann schuldbewußt, »dem nationalen Interesse wird jetzt nicht dadurch gedient, daß man Colonel Cathcart und Colonel Korn in Verruf bringt. Seien wir uns doch darüber klar, daß das Geschwader sich bislang trotz allem ausgezeichnet geschlagen hat. Spräche das Kriegsgericht Sie frei, so hätte das vermutlich zur Folge, daß auch andere sich weigern würden, weitere Einsätze zu fliegen. «Colonel Cathcart wäre blamiert und der Kampfwert der Einheit vielleicht vernichtet. In dieser Weise also wäre es dem nationalen Interesse dienlich, daß Sie überführt und eingesperrt werden, auch wenn Sie unschuldig sind.«
»Das haben Sie schön gesagt!« entgegnete Yossarián beißend.
Major Danby wurde rot und rutschte blinzelnd auf seinem Stuhl hin und her. »Ach bitte, machen Sie nicht mich dafür verantwortlich«, sagte er ehrlich bedauernd. »Sie wissen, daß es nicht meine Schuld ist. Ich versuche ja bloß, die Lage objektiv zu betrachten und für eine sehr schwierige Situation die geeignete Lösung zu finden.«
»Ich habe diese Situation nicht geschaffen.«
»Sie können sie aber beseitigen. Und was könnten Sie anderes tun? Sie wollen doch keine Einsätze mehr fliegen.«
»Ich könnte ausreißen.«
»Ausreißen?«
»Desertieren. Abhauen. Ich könnte dieser ganzen vertrackten Misere den Rücken kehren und abhauen.«
Major Danby war schockiert. »Wohin denn? Wo könnten Sie wohl hin?«
»Ich käme leicht genug nach Rom. Und dort könnte ich mich verstecken.«
»Und dann jede Minute damit rechnen, daß Sie erwischt werden!
Nein, nein, nein, Yossarián. Das wäre ein verderbliches und unwürdiges Unternehmen. Schwierigkeiten überwindet man nicht, indem man vor ihnen wegläuft. Glauben Sie mir bitte. Ich meine es nur gut mit Ihnen.«
»Das sagte auch jener reizende Detektiv, ehe er vorschlug, seinen Daumen in meine Wunde zu stoßen«, erwiderte Yossarián höhnisch.
»Ich bin kein Detektiv«, sagte Major Danby entrüstet und errötete von neuem. »Ich bin Universitätsprofessor. Ich besitze ein hochgradig entwickeltes Gefühl für Recht und Unrecht und würde nie den Versuch machen, Sie zu täuschen. Ich würde nie jemanden belügen.«
»Und wenn nun jemand vom Geschwader Sie über diese Unterhaltung befragte?«
»Dann würde ich ihn anlügen.«
Yossarián lachte spöttisch, und Major Danby lehnte sich trotz seiner Verlegenheit erleichtert zurück, als sei ihm die Atempause, die Yossariáns Stimmungswechsel in Aussicht stellte, sehr willkommen. Yossarián betrachtete ihn mit einer Mischung von Verachtung und gedämpftem Mitleid. Er richtete sich auf, lehnte sich gegen das Kopfende des Bettes, brannte eine Zigarette an und
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