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Catch 22

Catch 22

Titel: Catch 22 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Heller
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Minuten nicht ein, da seine Sinne in Aufruhr waren und er wußte, daß er sogleich sachverständig handeln müsse, aber doch fürchtete, völlig die Fassung zu verlieren. Snowden sah ihm beharrlich zu, ohne etwas zu sagen. Keine Arterie verspritzte Blut, doch Yossarián tat so, als sei er ganz damit beschäftigt, ein Tourniquet herzustellen, denn damit wußte er Bescheid. Er arbeitete mit gespielter Geschicklichkeit und Ruhe und fühlte dabei Snowdens glanzlose Blicke auf sich gerichtet. Er gewann seine Fassung zurück, ehe die Aderpresse angelegt war, und löste diese gleich darauf wieder, um die Gefahr des Wundbrandes zu verringern. Er dachte nun wieder klar und wußte, was zu tun war. Er durchwühlte den Verbandkasten nach einer Schere.
    »Mir ist kalt«, sagte Snowden leise. »Mir ist kalt.«
    »Es wird schon wieder werden, Junge«, ermutigte Yossarián ihn grinsend. »Sie kriegen dich schon wieder hin.«
    »Mir ist kalt«, sagte Snowden wieder mit dünner kindlicher Stimme.
    »Mir ist kalt.«
    »Nun, nun. Nun, nun«, sagte Yossarián, weil ihm nichts anderes einfiel.
    »Mir ist kalt«, wimmerte Snowden. »Mir ist kalt.«
    »Nun, nun. Nun, nun.«
    Yossarián hatte Angst und beeilte sich. Er fand schließlich eins Schere und schnitt Snowdens Kombination hoch über der .Wunde in der Leistengegend auf. Er zertrennte den schweren Gabardine rund herum. Der zierliche Heckschütze kam zu sich, während Yossarián noch mit der Schere arbeitete, sah ihn an und fiel von neuem in Ohnmacht. Snowden rollte den Kopf herum; so konnte er Yossarián besser sehen. Ein trübes fernes Licht glomm in den mattblickenden Augen. Yossarián wunderte sich und versuchte, nicht hinzusehen. Er fing nun an, entlang dem inneren Saum nach unten zu schneiden. Aus der klaffenden Wunde — war das ein glitschiges Stück Knochen, das er da tief in der blutigen Höhlung hinter dem Gewirr der gespenstisch zuckenden Muskeln gewahrte? — tropfte an mehreren Stellen Blut wie schmelzender Schnee von einem Hausgiebel, aber dickflüssig und rot und schon im Tropfen gerinnend. Yossarián schnitt das Hosenbein bis nach unten hin durch und streifte es dann ab. Es fiel klatschend auf den Boden und enthüllte kakifarbene Unterhosen, die auf einer Seite Blut aufsogen, als seien sie durstig. Yossarián war entsetzt darüber, wie wächsern und abstoßend Snowdens nacktes Bein wirkte, wie ekelerregend und leblos der feine blonde Flaum auf diesem merkwürdigen weißen Unterschenkel aussah. Er erkannte nun, daß die Wunde durchaus nicht so groß war wie ein Rugbyball, sondern nicht größer als seine Hand, aber so gezackt und tief, daß man nicht hineinsehen konnte. Die bloßliegenden Muskeln zuckten darin wie lebendes Hackfleisch. Yossarián seufzte erleichtert, als er sah, daß Snowden nicht in Lebensgefahr war. Das Blut gerann bereits in der Wunde, und es ging jetzt nur darum, ihn zu verbinden und ihn ruhig zu halten, bis die Maschine landete. Er entnahm dem Verbandkasten einige Tütchen Sulfonamidpulver. Snowden zitterte als Yossarián sich gegen ihn drängte, um ihn ein wenig auf die Seite zu rollen.
    »Hab' ich dir weh getan?«
    »Mir ist kalt«, wimmerte Snowden. »Mir ist kalt.«
    »Nun, nun«, sagte Yossarián. »Nun, nun.«
    »Mir ist kalt. Mir ist kalt.«
    »Nun, nun. Nun, nun.«
    »Es fängt an, weh zu tun«, rief Snowden plötzlich klagend und drängend.
    Yossarián durchwühlte noch einmal hastig den Verbandkasten nach Morphium, fand Milos Zettel und eine Flasche voller Aspirintabletten. Er verfluchte Milo und hielt Snowden zwei Aspirintabletten hin. Er konnte ihm kein Wasser anbieten. Snowden wies die Tabletten mit einem kaum wahrnehmbaren Kopfschütteln zurück. Sein Gesicht war blaß und teigfarben. Yossarián .nahm Snowden den Helm ab und bettete seinen Kopf auf dem Boden.
    »Mir ist kalt«, ächzte Snowden mit halbgeschlossenen Augen.
    »Mir ist kalt.«
    Seine Mundwinkel begannen sich bläulich zu färben. Yossarián erstarrte. Er fragte sich, ob es Sinn habe, die Reißleine von Snowdens Fallschirm zu ziehen und ihn mit dem Nylonschirm zuzudecken. Es war sehr warm im Flugzeug.Snowden blickte unerwartet auf, lächelte ihn matt und vertrauensvoll an und änderte die Lage seiner Hüften ein wenig, so daß Yossarián das Sulfonamid in die Wunde streuen konnte. Yossarián schöpfte neue Zuversicht. Der Bomber sackte in ein Luftloch, und es fiel ihm mit Schrecken ein, daß er seinen eigenen Fallschirm vorne gelassen hatte. Daran war jetzt nichts zu

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