Catch 22
musterte amüsiert lächelnd Major Danbys Gesicht, das seit dem Tage des Angriffs auf Avignon, als General Dreedle befohlen hatte, ihn hinauszuführen und zu erschießen, einen Ausdruck permanenten, glotzäugigen Schreckens aufwies. Die erstaunten Runzeln würden immer sichtbar bleiben wie tiefe schwarze Narben, und Yossarián bedauerte den sanften, moralischen, ältlichen Idealisten, wie er so viele Menschen bedauerte, deren Mängel nicht übermäßig groß und deren Sorgen leicht waren.
Er fragte mit betonter Freundlichkeit: »Wie können Sie es nur mit Kreaturen wie Cathcart und Korn aushallen, Danby? Wird Ihnen denn in deren Gegenwart nicht übel?«
Major Danby schien von Yossariáns Frage überrascht zu sein.
»Ich tue das für mein Vaterland«, erwiderte er, ganz als sei diese Antwort selbstverständlich. »Colonel Cathcart und Colonel Korn sind meine Vorgesetzten, und ich kann nichts weiter zum Nutzen unserer Sache tun, als ihnen gehorchen. Ich arbeite mit ihnen, weil das meine Pflicht ist. Und auch«, fügte er sehr viel leiser und mit niedergeschlagenen Augen hinzu, »weil ich kein aggressiver Mensch bin.«
»Das Vaterland braucht Ihre Hilfe nicht mehr«, stellte Yossarián ihm freundlich vor. »Sie tun also nichts weiter, als diesen beiden behilflich zu sein.«
»Ich bemühe mich, nicht daran zu denken«, gab Major Danby freimütig zu. »Ich versuche, immer nur an das große Ganze zu denken und zu vergessen, daß ich zu ihrer persönlichen Verherrlichung beitrage. Ich suche mir einzureden, daß sie nicht von Bedeutung sind.«
»Mir gelingt das nie«, sagte Yossarián verständnisvoll und faltete die Arme vor der Brust. »Ich stelle immer fest, daß zwischen mir und einem Ideal Schittköppe, Peckems, Korns und Cathcarts stehen. Und dadurch bekommt auch das Ideal ein anderes Aussehen.«
»Versuchen Sie, nicht an diese Erscheinungen zu denken«, redete Major Danby ihm zu. »Sie dürfen auch niemals Ihre Maßstäbe dadurch beeinflussen lassen. Ideale sind gut, die Menschen sind aber gelegentlich nicht so gut. Sie müssen sich bemühen, das große Ganze im Auge zu behalten!«
Yossarián wies diesen Rat mit skeptischem Kopfschütteln zurück. »Wenn ich das große Ganze betrachten möchte, dann sehe ich nur Leute, die verdienen. Ich sehe weder den Himmel noch die Heiligen noch die Engel, sondern einzig Leute, die aus jeder anständigen Regung und aus allem menschlichen Leid Profit schlagen.«
»Aber Sie müssen probieren, darüber hinweg zu sehen«, versteifte sich Major Danby. »Sie dürfen sich davon nicht verärgern lassen.«
»Oh, es ärgert mich eigentlich nicht. Was mich ärgert, ist, daß man mich für einen Narren hält. Diese Kerle halten sich für schlau und alle übrigen für blöde. Und ich muß sagen, Danby, es kommt mir jetzt zum ersten Mal der Gedanke, daß sie damit vielleicht recht haben.«
»Aber auch daran dürfen Sie nicht denken«, versetzte Major Danby. »Sie müssen an das Wohl des Vaterlandes und an die Würde des Menschen denken.«
»Hehe«, sagte Yossarián.
»Das ist mein Ernst, Yossarián. Wir sind nicht mehr im Ersten Weltkrieg. Sie dürfen nie vergessen, daß wir gegen einen Angreifer kämpfen, der im Fall seines Sieges weder Sie noch mich am Leben ließe.«
»Das weiß ich«, erwiderte Yossarián kurz, und ein Schatten von Verstimmung ging über sein Gesicht. »Zum Kuckuck, Danby, ich habe mir meine Auszeichnung verdient; ganz gleich, aus welchem Grunde man sie mir verliehen hat. Ich habe schließlich siebzig Feindflüge hinter mir. Reden Sie also nicht vom Kampf fürs Vaterland. Ich habe lange genug gekämpft, um das Vaterland zu retten, und jetzt werde ich mal ein bißchen für meine eigene Rettung kämpfen. Das Vaterland ist nicht länger mehr in Gefahr, aber ich bin es.«
»Der Krieg ist noch nicht vorbei. Die Deutschen stoßen auf Antwerpen vor.«
»Die Deutschen werden in wenigen Monaten geschlagen sein.
Und wenige Monate später wird auch Japan geschlagen sein.
Wenn ich jetzt mein Leben verlöre, verlöre ich es nicht für mein Vaterland, sondern für Cathcart und Korn. Ich gebe daher mein Zielgerät endgültig in der Garderobe ab. Von jetzt an kümmere ich mich bloß noch um mich.«
Major Danby erwiderte versöhnlich und mit einem überlegenen Lächeln: »Aber Yossarián — nehmen Sie einmal an, daß alle so dächten.«
»Dann wäre ich schön blöde, wenn ich nicht auch so dächte.«
Yossarián setzte sich aufrecht hin und nahm eine nachdenkliche Miene
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