Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Catch 22

Catch 22

Titel: Catch 22 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Heller
Vom Netzwerk:
erfolgreich entkommen waren. O Gott, o Gott, hatte Yossarián stumm gefleht, während er, unfähig sich zu bewegen, mit dem Kopf an der Decke der Kanzel klebte. »Dem Bombenschützen, dem Bombenschützen«, schrie Dobbs, als er Yossarián sprechen hörte. »Er antwortet nicht. Er antwortet nicht. Helft dem Bombenschützen, helft dem Bombenschützen !«
    »Ich bin ja der Bombenschütze!« schrie Yossarián zurück. »Ich bin der Bombenschütze! Mir fehlt nichts.«
    »Dann helft ihm, helft ihm«, flehte Dobbs. »Helft ihm, helft ihm.«
    Und Snowden lag derweil sterbend im Heck.

Hungry Joe
    Hungry Joe hatte zwar fünfzig Feindflüge hinter sich, doch nützte ihm das nichts. Seine Sachen waren gepackt, und er wartete wiederum auf den Marschbefehl in die Heimat. Des Nachts plagten ihn unheimliche Alpträume, und sein ohrenbetäubendes Geheul hinderte die Staffel am Schlaf, ausgenommen Huple, den fünfzehnjährigen Piloten, der sein Geburtsdatum gefälscht und sich in die Armee eingeschlichen hatte. Er und seine Lieblingskatze teilten Hungry Joes Zelt. Huple war ein leichter Schläfer, behauptete aber, Hungry Joe niemals schreien zu hören. Hungry Joe war krank.
    »Na wenn schon«, knurrte Doc Daneeka feindselig. »Laß dir sagen, Freund, ich hatte mein Schäflein auf dem Trockenen! Glatte fünfzigtausend Piepen im Jahr und fast alles steuerfrei, denn meine Kunden mußten bar bezahlen. Dabei deckte mir die mächtigste Standesorganisation der Welt den Rücken. Und was passiert? Gerade als ich mich in allem Ernst daran machen will, den Rahm eimerweise abzuschöpfen, da erfinden sie den Faschismus und fangen einen Krieg an, der so gräßlich ist, daß er sogar mich in Mitleidenschaft zieht. Wenn ich jemanden wie Hungry Joe sich nachts die Seele aus dem Leibe schreien höre, kann ich bloß lachen. Lachen kann ich da bloß. Er, krank? Was glaubt er wohl, wie mir zu Mute ist?«
    Hungry Joe steckte zu tief in seiner eigenen Misere, er konnte sich nicht auch noch über das Befinden von Doc Daneeka Gedanken machen. Da waren zum Beispiel die Geräusche. Kleine Geräusche versetzten ihn in Raserei, und er brüllte sich heiser, wenn Aarfy feucht glucksend an der Pfeife sog, wenn Orr leise klirrend bastelte, wenn MC Watt beim Poker jede Karte schnalzend aufdeckte, oder wenn Dobbs mit den Zähnen klapperte, während er ungeschickt durch die Gegend torkelte und alle erreichbaren Möbelstücke umrannte. Hungry Joe war eine zuckende, hochexplosive Masse, die verkörperte Reizbarkeit. Das stete Ticken einer Uhr in einem stillen Raum hämmerte wie ein Folterinstrument auf sein ungeschütztes Hirn ein.
    »Hör zu, Junge«, erklärte er Huple eines späten Abends scharf, »wenn du in diesem Zelt wohnen willst, dann tu gefälligst, wie ich tue. Du mußt deine Armbanduhr jeden Abend in ein Paar Wollsocken einrollen, und sie ganz unten in die Kleiderkiste legen.«
    Huple schob trotzig den Unterkiefer vor, um Hungry Joe zu bedeuten, daß er sich nicht herumkommandieren lasse, und tat dann genau das, was von ihm verlangt worden war.
    Hungry Joe war ein ruheloser abgemagerter Wicht. Sein Gesicht bestand nur aus Haut und Knochen, und in den schwärzlichen Höhlen hinter seinen Augen zuckte es wie von zerstückelten Schlangen. Es war ein trostloses, von Kratern übersätes Gesicht, in das sich die Sorge eingefressen hatte wie Ruß in die Mauern einer verlassenen Grubenstadt. Hungry Joe aß gierig, er kaute ununterbrochen an den Fingernägeln, er stotterte, keuchte und schwitzte, er wurde von Speichelfluß und Juckreiz gepeinigt und sprang wie besessen mit einer sehr komplizierten, schwarzen Kamera umher, mit der er unablässig nackte Mädchen zu photographieren versuchte. Aus den Bildern wurde nie etwas. Er vergaß entweder den Film einzulegen, Blitzlicht abzubrennen oder den Deckel von der Linse zu nehmen. Es ist gar nicht leicht, nackte Mädchen dazu zu überreden, für Bilder zu posieren, doch Hungry Joe hatte den Kniff heraus.
    »Ich großer Photograph!« pflegte er zu schreien. »Ich großer Photograph von Life Magazine! Großes Bild für Titelseite. Si, si, si! Hollywood, Filmstar. Multi dinero, multi scandali, multi fuckifuck den ganzen Tag!« Nur wenige Frauen auf der Welt vermochten seinem einschmeichelnden Redefluß zu widerstehen, und Prostituierte pflegten eifrig aufzuspringen und mit Verve jede von ihm gewünschte Pose einzunehmen, so phantastisch sie auch sein mochte. Die Frauen waren Hungry Joes Tod. Er reagierte auf sie als

Weitere Kostenlose Bücher