Catch 22
die 27. Luftflotte dir wirklich an den Kragen gehen.«
Yossarián sackte enttäuscht zusammen. »Ich muß also alle fünfzig Einsätze fliegen?« fragte er kummervoll.
»Alle fünfundfünfzig«, berichtigte ihn Doc Daneeka.
»Wieso alle fünfundfünfzig?«
»Alle fünfundfünfzig Feindflüge, die der Colonel jetzt von jedem einzelnen verlangt.«
Hungry Joe stieß einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus und begann zu grinsen, als er das hörte. Yossarián packte Hungry Joe am Schlaffittchen und ließ sich auf der Stelle von ihm zum Exgefreiten Wintergreen zurückfliegen.
»Was würde man wohl tun«, fragte er vertraulich, »wenn ich mich weigerte, fünfundfünfzig Einsätze zu fliegen?«
»Wir würden Sie vermutlich erschießen lassen«, erwiderte der Exgefreite Wintergreen.
»Wir?« rief Yossarián überrascht. »Was soll das heißen, wir?
Seit wann sind Sie denn auf deren Seite?«
»Auf wessen Seite soll ich wohl sein, wenn Sie erschossen werden?« versetzte der Exgefreite Wintergreen.
Yossarián zuckte gequält zusammen. Colonel Cathcart war ihm wieder einmal über.
McWatt
Für gewöhnlich war McWatt Yossariáns Pilot. McWatt rasierte sich jeden Morgen in einem schreiend roten, sauberen Schlafanzug vor seinem Zelt und gehörte zu den merkwürdigen, unverständlichen Dingen, von denen Yossarián umgeben war. McWatt war vermutlich der verrückteste Kampfflieger von allen, denn er war völlig normal und hatte trotzdem nichts gegen den Krieg einzuwenden. Er war eine kurzbeinige, breitschultrige, lächelnde junge Seele, pfiff unablässig flotte Schlagermelodien vor sich hin, und die Schnalzlaute, mit denen er beim Poker oder Siebzehn und Vier das Aufdecken jeder einzelnen Karte begleitete, setzten Hungry Joe so zu, daß er außer sich geriet und tobend verlangte, McWatt solle das Schnalzen lassen.
»Du Aas, du tust es nur, weil du weißt, daß ich es nicht ertragen kann«, schrie Hungry Joe, während Yossarián ihm beschwichtigend eine Hand auf die Schulter legte. »Er tut es bloß, weil er mich schreien hören will. Du verfluchtes Aas!«
McWatt kräuselte schuldbewußt die zarte, sommersprossige Nase und verschwor sich, niemals wieder zu schnalzen. Er vergaß seinen Schwur jedoch immer wieder. McWatt trug zu seinem roten Schlafanzug pelzgefütterte Pantoffeln und schlief zwischen frisch gebügelten bunten Laken, von denen Milo ein halbes dem grinsenden Dieb mit dem süßen Zahn im Austausch gegen von Yossarián geborgte kernlose Datteln weggenommen hatte. McWatt war tief beeindruckt von Milo, der zur Belustigung von Korporal Snark, seinem Küchenunteroffizier, bereits angefangen hatte, Eier für sieben Cent das Stück zu kaufen und sie für fünf Cent zu verkaufen. McWatt war jedoch nicht so beeindruckt von Milo, wie Milo von dem Attest beeindruckt war, das Yossarián von Doc Daneeka für seine Leber erhalten hatte.
»Was ist das?« hatte Milo entsetzt gerufen, als er auf die riesige Kiste voller Trockenfrüchte, Obstkonserven und Fruchtsäfte stieß, die zwei der italienischen Arbeiter, welche Major — de Coverley für die Küche geraubt hatte, zu Yossarián ins Zelt zu tragen im Begriff waren.
»Das ist Captain Yossarián«, sagte Korporal Snark und grinste herablassend. Korporal Snark war ein versnobter Intellektueller, der glaubte, seiner Zeit zwanzig Jahre voraus zu sein und dem es keinen Spaß machte, zu den Massen herabzukochen. »Er hat ein Attest von Doc Daneeka, daß er so viel Obst und Obstsäfte abholen darf, wie er will.« »Was ist das?« rief Yossarián, als Milo erblaßte und zu schwanken begann.
»Das ist Leutnant Milo Minderbinder, Sir«, sagte Korporal Snark und blinzelte höhnisch. »Einer unserer neuen Piloten. Während Ihres Lazarettaufenthaltes ist er Meßoffizier geworden.«
»Was ist das?« rief McWatt, als Milo ihm am späten Nachmittag ein halbes seiner Bettlaken aushändigte.
»Es ist die Hälfte von dem Laken, das heute früh aus deinem Zelt geklaut wurde«, erklärte Milo hochbefriedigt, während sein rostfarbener Schnurrbart nervös zuckte. »Ich wette, du weißt nicht mal, daß es überhaupt gestohlen worden ist.«
»Warum sollte wohl jemand ein halbes Bettlaken stehlen?« fragte Yossarián.
Milo wurde verwirrt. »Du verstehst das nicht«, protestierte er.
Yossarián begriff auch nicht, warum Milo sich so darum riß, einen Anteil an dem Attest von Doc Daneeka zu erwerben, das in seinem Wortlaut ganz eindeutig war. »Geben Sie Yossarián so viel Obst und
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