Catch 22
dankbar sein.«
»Hassen wird er dich«, sagte Yossarián. »Noch auf dem Totenbett wird er dich hassen.«
Leutnant Schittkopp hatte im College einen Kurs für Reserveoffiziere absolviert und war recht froh darüber, daß der Krieg ausgebrochen war, denn nun durfte er täglich eine Offiziersuniform tragen und in knappem, militärischem Tonfall ganze Kinderscharen, die ihm auf ihrem Weg zur Fleischbank alle acht Wochen in die Hände fielen, mit >Männer< anreden. Er war ein ehrgeiziger und humorloser Leutnant Schittkopp, der seine Pflichten mit nüchternem Ernst verrichtete und nur lächelte, wenn einer seiner Offizierskonkurrenten vom Luftwaffenstützpunkt Santa Ana von einer heimtückischen Krankheit befallen wurde. Sein Sehvermögen war beeinträchtigt, und er litt unter chronischer Verstopfung der oberen Luftwege, was den Krieg für ihn noch aufregender machte, weil er nicht befürchten mußte, an die Front versetzt zu werden. Das Beste an ihm war seine Frau, und das Beste an seiner Frau war deren Freundin Dori Duz, die es bei jeder Gelegenheit tat und die Uniform einer Luftwaffenhelferin besaß, welche Leutnant Schittkopps Frau an jedem Wochenende jedem Fähnrich aus der Abteilung ihres Mannes zu Gefallen aus- und anzog, der Wert darauf legte.
Dori Duz war ein quicklebendiges kleines Nuttchen in kupfergrün und gold, das es am liebsten in Geräteschuppen, Telefonzellen, Bushaltestellen oder Umkleidekabinen machte. Es gab wenig, was sie nicht schon probiert hatte, und noch weniger, was sie nicht probiert hätte. Sie war schamlos, schlank, neunzehn und aggressiv. Sie zerstörte männliches Selbstbewußtsein en gros und brachte es fertig, daß Männer sich am Morgen danach haßten, weil sie sich von ihr aufgreifen, benutzen und wegwerfen ließen.
Yossarián liebte sie. Sie war ein herrliches Stück Fleisch, das ihn nur passabel fand. Bei dem einzigen Mal, als sie es ihm erlaubte, spürte er mit Entzücken die elastischen Muskeln überall unter ihrer Haut, wo er sie berührte. Yossarián liebte Dori Duz so sehr, daß er nicht anders konnte als sich einmal in der Woche leidenschaftlich auf Leutnant Schittkopps Frau zu werfen, um sich an Leutnant Schittkopp für die Art und Weise zu rächen, in der Leutnant Schittkopp sich an Clevinger rächte.
Leutnant Schittkopps Frau rächte sich an Leutnant Schittkopp eines unvergeßlichen Verbrechens wegen, an das sie sich nicht mehr erinnern konnte. Sie war ein rundliches, rosiges, träges Mädchen, das gute Bücher las und Yossarián mit dem feinsten Akzent aufforderte, sich nicht so bourgeois zu benehmen. Sie hatte stets ein gutes Buch in Reichweite, auch wenn sie im Bett lag mit nichts auf sich als Yossarián und der Erkennungsmarke von Dori Duz. Sie langweilte Yossarián, aber er war auch in sie verliebt. Sie war eine verrückte Mathematikerin, die ihr Diplom auf einer hochberühmten Handelsakademie gemacht hatte und es keinen Monat fertigbrachte, fehlerlos bis achtundzwanzig zu zählen.
»Liebling, wir bekommen wieder ein Kind«, sagte sie jeden Monat zu Yossarián.
»Du hast ja einen Vogel«, pflegte er darauf zu erwidern.
»Aber ich meine es im Ernst, Schatz«, versicherte sie.
»Ich auch.«
»Liebling, wir bekommen wieder ein Kind«, pflegte sie ihrem Mann dann zu eröffnen.
»Ich habe keine Zeit«, grunzte Leutnant Schittkopp unwirsch.
»Du weißt wohl nicht, daß Exerzierdienst angesetzt ist?«
Leutnant Schittkopp war sehr daran gelegen, sich beim Exerzieren auszuzeichnen und Clevinger vor einen Disziplinarausschuß zu bringen und ihn der Verschwörung zum Nachteil der von Leutnant Schittkopp bestimmten Stubenältesten zu beschuldigen.
Clevinger war ein Unruhestifter und ein Alleswisser. Leutnant Schittkopp wußte, daß Clevinger noch mehr Unruhe stiften würde, wenn man ihn nicht scharf überwachte. Gestern waren es die Stubenältesten gewesen, morgen konnte es schon die ganze Welt sein. Clevinger besaß Grips, und es war Leutnant Schittkopp aufgefallen, daß Leute mit Grips gelegentlich frech wurden.
Solche Männer waren gefährlich, und selbst die neugewählten Stubenältesten, denen Clevinger zu ihrer Stellung verhelfen hatte, brannten darauf, Nachteiliges über ihn auszusagen. Der Fall Clevinger war so gut wie abgeschlossen. Das einzige, was fehlte, war eine Beschuldigung, die man gegen ihn erheben konnte.
Mit dem Exerzieren konnte sie nichts zu tun haben, denn Clevinger nahm das Exerzieren fast ebenso ernst wie Leutnant Schittkopp. Die Männer
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