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Catch 22

Catch 22

Titel: Catch 22 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Heller
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traten jeden Sonntagnachmittag zum Exerzieren heraus und formierten sich mühevoll vor den Unterkünften zu Zwölferreihen. Verkatert stöhnend hinkten sie im Gleichschritt zu ihrem Platz auf dem großen Paradefeld, wo sie zusammen mit den Leuten von sechzig bis siebzig anderen Abteilungen eine oder zwei Stunden reglos in der Hitze standen, solange jedenfalls, bis genügend Fähnriche ohnmächtig geworden waren. Am Rande des Paradefeldes parkten Ambulanzen, daneben warteten ausgebildete Krankenträger mit Funksprechgeräten. Auf den Dächern der Ambulanzen hockten Beobachter mit Ferngläsern. Ein Rechnungsführer notierte die Zahl der Ohnmächtigen. Dieser Teil des Unternehmens wurde von einem Militärarzt überwacht, der ein verhinderter Buchhalter war, unermüdlich Pulsschläge zählte und die Bilanz des Rechnungsführers nachprüfte. Waren genug bewußtlose Männer in den Ambulanzen versammelt, dann gab der Arzt dem Musikmeister ein Zeichen, und die Kapelle spielte den Kehraus. Eine hinter der anderen marschierten die Abteilungen das Feld hinauf, umrundeten schwerfällig die Tribüne, marschierten auf der anderen Seite wieder herunter und in die Unterkünfte zurück.
    Jede Abteilung wurde beim Vorbeimarsch an der Tribüne beurteilt, wo ein aufgeschwemmter Colonel mit buschigem Schnurrbart neben anderen Offizieren saß. Die beste Abteilung gewann einen gelben Wimpel samt Schaft, die beide absolut wertlos waren. Die beste Abteilung des Standortes gewann einen roten Wimpel an einem noch längeren Schaft, der noch weniger wert war, weil der Schaft schwerer und daher mühsamer umherzuschleifen war, bis er endlich am folgenden Sonntag von einer anderen Abteilung gewonnen wurde. Yossarián fand den Einfall, als Preis einen Wimpel zu verteilen, lächerlich. Es war keine Geldprämie damit verbunden und kein Klassenprivileg. Ebenso wie olympische Medaillen und Tennistrophäen waren diese Wimpel einzig der Beweis dafür, daß die Sieger besser als alle anderen etwas verrichtet hatten, das für niemanden von Nutzen war.
    Das Exerzieren selbst kam ihm ebenso blödsinnig vor. Yossarián haßte Paraden. Paraden waren so kriegerisch. Er haßte es, sie zu hören, sie zu sehen und als Verkehrsteilnehmer von ihnen behindert zu» werden. Er haßte es, selber an einer Parade teilnehmen zu müssen. Es war schlimm genug, ein Luftwaffenfähnrich zu sein, auch ohne daß man jeden Sonntag nachmittag dazu gezwungen wurde, in brütender Hitze Soldat zu spielen. Es war schlimm genug, ein Luftwaffenfähnrich zu sein, denn mittlerweile hatte sich herausgestellt, daß der Krieg nicht gleichzeitig mit der Ausbildung zu Ende sein würde. Einzig in dieser Hoffnung nämlich hatte er sich zur Luftwaffe gemeldet. Als ein Soldat, der für flugtauglich und auch sonst geeignet befunden worden war, standen ihm Wochen und Wochen bevor, in denen er darauf zu warten haben würde, einer Klasse zugeteilt zu werden, dann wieder Wochen und Wochen der Ausbildung als Beobachter und Bombenschütze und danach weitere Wochen der praktischen Übungen zwecks Vorbereitung zur Verwendung in Übersee. Damals war es unvorstellbar gewesen, daß der Krieg solange dauern könnte, denn man hatte ihm gesagt, Gott sei auf seiner Seite, und man hatte ihm weiter gesagt, Gott sei allmächtig. Indessen war der Krieg nicht annähernd vorüber, seine Ausbildung jedoch fast beendet.
    Leutnant Schittkopp sehnte sich verzweifelt danach, den Exerzierwettbewerb zu gewinnen und saß halbe Nächte arbeitend am Schreibtisch, während seine Frau ihn liebestoll im Bett erwartete und in Krafft-Ebing blätterte. Er seinerseits las Werke über die hohe Schule des Exerzierens. Er manipulierte ganze Schachteln voll Schokoladensoldaten, bis sie ihm in den Händen zerschmolzen, dann ließ er Plastikcowboys in Zwölferreihen aufmarschieren, die er sich von einem Versandhaus unter falschem Namen verschrieben hatte und tagsüber sorgfältig verborgen hielt. Auch Leonardos anatomische Studien erwiesen sich als unentbehrlich.
    Eines Abends empfand er die Notwendigkeit, am lebenden Modell zu üben, und befahl seiner Frau, im Zimmer umherzumarschieren.
    »Nackt?« erkundigte sie sich hoffnungsvoll.
    Leutnant Schittkopp schlug verzweifelt die Hände vors Gesicht.
    Es war sein Schicksal, an eine Frau gekettet zu sein, die nur ihre eigenen schmutzigen sexuellen Begierden im Kopf hatte und nichts von dem titanischen Ringen um das Unerreichbare ahnte, in dem edle Männer sich als wahre Helden erweisen

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