Catch 22
dich beklagst! Wenn Captain Yossarián und ich uns nicht für dich verwendet hätten, hättest du jetzt gar nichts.«
»Wer beklagt sich denn?« sagte McWatt. »Ich überlege nur, was ich mit einem halben Bettlaken anfangen kann.«
»Man kann mit einem halben Bettlaken eine ganze Menge anfangen«, versicherte Milo. »Das letzte Viertel des Lakens habe ich nur selbst vorbehalten, als Belohnung für meinen Unternehmungsgeist, für meine Mühe und meine Initiative. Damit ihr mich recht versteht: ich nehme es nicht für mich, sondern gebe es dem Syndikat. Und das kann man auch mit einem halben Laken machen. Du kannst es dem Syndikat übergeben und zusehen, wie es sich mehrt.«
»Was ist das für ein Syndikat?«
»Das Syndikat, das ich eines Tages gründen möchte, um euch mit dem guten Essen zu versorgen, das ihr verdient.«
»Du willst ein Syndikat bilden?«
»Ja. Oder nein, lieber noch einen Mart. Weißt du, was ein Mart ist?«
»Das ist etwas, wo man einkauft, nicht wahr?«
»Und verkauft«, korrigierte Milo.
»Und verkauft.«
»Mein ganzes Leben lang habe ich mir einen Mart gewünscht.
Man kann eine Menge unternehmen, wenn man einen Mart hat.
Aber man braucht eben einen Mart dazu.«
»Du wünschst dir also einen Mart?«
»Und jeder bekommt einen Anteil.«
Yossarián war verwirrt, denn hier handelte es sich um Geschäftliches, und Geschäftliches hatte vieles an sich, was ihn verwirrte.
»Laßt mich noch mal versuchen, es euch zu erklären«, erbot Milo sich mit wachsender Erschöpfung und Ungeduld, wobei er mit dem Daumen auf den Dieb mit dem süßen Zahn wies, der immer noch grinsend neben ihm stand. »Ich wußte, er wollte lieber Datteln haben als das Bettlaken. Da er nun kein Wort englisch versteht, habe ich absichtlich die gesamte Verhandlung auf englisch geführt.«
»Warum hast du ihm nicht eins auf die Birne gehauen und ihm das Laken weggenommen?« fragte Yossarián.
Milo preßte würdevoll die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf. »Das wäre sehr unrecht gewesen«, tadelte er mit fester Stimme. »Gewaltanwendung ist ein Unrecht, und zweimal Unrecht macht noch kein Recht. Auf meine Art war es viel besser.
Als ich ihm die Datteln hinhielt und gleichzeitig nach dem Laken griff, hat er vermutlich angenommen, ich böte ihm einen Tausch an.«
»Und was tatest du in Wirklichkeit?«
»Ich bot ihm zwar wirklich einen Tausch an, da er aber kein englisch versteht, kann ich das immer abstreiten.«
»Wenn er nun aber wütend wird und die Datteln verlangt?«
»Nun, dann schlagen wir ihm einfach auf die Birne und nehmen ihm die Datteln weg«, versetzte Milo, ohne zu zögern. Er blickte von Yossarián zu McWatt. »Ich verstehe wirklich nicht, was ihr noch wollt. Wir sind alle besser dran als zuvor. Alle sind glücklich, ausgenommen dieser Dieb hier, und es lohnt sich nicht, sich seinetwegen Kummer zu machen, denn er versteht nicht mal unsere Sprache und verdient, was immer ihm zustößt. Begreift ihr denn nicht?«
Yossarián jedoch begriff immer noch nicht, wie Milo in Malta Eier für sieben Cent das Stück kaufen und sie in Pianosa mit Profit für fünf Cent verkaufen konnte.
Leutnant Schittkopp
Nicht einmal Clevinger begriff, wie Milo das zustande brachte, und Clevinger wußte doch alles. Clevinger wußte alles über den Krieg, nur nicht, warum Yossarián sterben und Korporal Snark am Leben bleiben, oder Korporal Snark sterben, Yossarián aber am Leben bleiben sollte. Es war ein widerlicher, schmutziger Krieg, und Yossarián hätte sehr gut ohne ihn leben können — vielleicht sogar ewig. Nur eine sehr kleine Zahl seiner Landsleute würden ihr Leben für den Sieg hingeben, und sein Ehrgeiz ging nicht dahin, zu diesen zu gehören. Zu sterben oder nicht zu sterben, das war die Frage. Und Clevinger welkte förmlich dahin, so mühte er sich, die Antwort darauf zu finden. Die Geschichte verlange Yossariáns vorzeitigen Tod nicht, Gerechtigkeit konnte ohne ihn geschehen, der Fortschritt hing nicht davon ab und auch nicht der Sieg. Daß Männer starben, war notwendig; welche Männer starben, hing jedoch von den Umständen ab, und allem wollte Yossarián gerne zum Opfer fallen, nur nicht den Umständen. Doch so war der Krieg nun einmal. Das einzige Gute, was er an ihm entdecken konnte, war, daß er sich bezahlt machte, und daß er Kinder dem schädlichen Einfluß ihrer Eltern entzog.
Clevinger wußte deshalb soviel, weil Clevinger ein Genie war, ein Genie, das zu Herzklopfen und plötzlichem
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