Catch 22
wollte doch nichts weiter als mit einem Mann ins Bett. Davon hat sie schließlich den ganzen Abend geredet.«
»Das lag daran, daß sie etwas durcheinander war«, erklärte Aarfy. »Ich habe ihr dann gut zugeredet und sie schließlich zur Vernunft gebracht.«
»Du Stinker!« rief Yossarián und ließ sich erschöpft neben Kid Sampson aufs Sofa sinken. »Warum hast du sie denn nicht einem von uns überlassen, wenn du sie nicht selber wolltest?«
»Seht ihr?« sagte Hungry Joe. »Irgendwas stimmt nicht mit ihm.«
Yossarián nickte und betrachtete Aarfy neugierig. »Sag mal, Aarfy, gehst du nie mit deinen Mädchen ins Bett?«
Aarfy kicherte wieder hochnäsig und amüsiert. »Klar tu ich das.
Macht euch meinetwegen nur keine Gedanken. Aber nicht mit anständigen Mädchen. Ich weiß sehr gut, welche Mädchen man umlegt und welche nicht. Diese war ein reizendes Kind. Man sah gleich, daß sie aus einer wohlhabenden Familie stammt. Ich habe sie sogar dazu gebracht, ihren Ring aus dem Fenster zu werfen, während wir im Auto heimfuhren.«
Hungry Joe ging in die Luft und kreischte gepeinigt. »Was hast du?« schrie er. »Was hast du gemacht?« Er bearbeitete Aarfys Schultern und Arme mit beiden Fäusten und war den Tränen nahe. »Umbringen müßt ich dich dafür, du elender Hund. Du bist ein Sünder, ein Sünder bist du. Er hat eine dreckige Phantasie, nicht wahr? Hat er nicht eine dreckige Phantasie?«
»Die denkbar dreckigste«, stimmte Yossarián zu.
»Wovon redet ihr eigentlich?« fragte Aarfy ehrlich erstaunt und zog sein Gesicht schutzsuchend in die gepolsterte Höhle seiner Schultern" zurück. »Laß doch, Joe«, bat er und lächelte dabei ein wenig unbehaglich. »Hör doch auf, mich zu boxen.«
Hungry Joe jedoch hörte nicht eher auf, bis Yossarián ihn am Genick packte und in sein Schlafzimmer stieß. Yossarián ging dann lustlos in sein eigenes Zimmer, zog sich aus und legte sich schlafen. Eine Sekunde darauf war es bereits morgen, und jemand schüttelte ihn.
»Warum weckst du mich?« jammerte er.
Es war Michaela, die knochige Magd mit dem fröhlichen Temperament und dem unansehnlichen bleichen Gesicht, die ihn weckte, weil ein Besucher vor der Tür stand. Luciana! Er konnte es kaum fassen. Und nachdem Michaela hinausgegangen war, blieb sie allein mit ihm im Zimmer, lieblich anzusehen, gesund und statuenhaft, dampfend und zuckend vor ununterdrückbarer, zärtlicher Lebenslust, obwohl sie auf der Stelle stehen blieb und ihn mit zornig gerunzelter Stirn ansah. Wie sie da so auf ihren herrlichen, säulenhaften Beinen in den weißen Schuhen und dem hübschen grünen Kleid stand, wirkte sie wie ein jugendlicher weiblicher Kolossus. Sie schwenkte eine große flache Handtasche aus weißem Leder, mit der sie ihm kräftig ins Gesicht schlug, als er aus dem Bett sprang, um sie zu packen. Yossarián taumelte verwirrt außer Reichweite und hielt sich erstaunt die schmerzende Wange. »Schwein!« spuckte sie ihm giftig entgegen, die Nüstern gebläht in wilder Verachtung. »Vive com' un animale!«
Angeekelt und guttural fluchend, durchquerte sie mit großen Schritten das Zimmer, riß eines der schmalen langen Fenster auf und ließ eine strahlende Flut von Sonnenlicht und frischer Luft ein, die in dem dumpfen Zimmer wie ein belebender Trank wirkte. Sie legte ihre Handtasche auf einen Stuhl und begann, Ordnung zu machen. Sie klaubte seine Sachen vom Boden und von den Möbelstücken, schmiß Socken, Taschentuch und Unterwäsche in ein Fach der leeren Kommode und hängte Hemd und Hose im Schrank auf.
Yossarián rannte ins Badezimmer und putzte sich die Zähne. Er wusch Gesicht und Hände und kämmte sein Haar. Als er zurückgelaufen kam, war das Zimmer aufgeräumt und Luciana fast ausgezogen. Ihre Miene war friedlich. Sie legte die Ohrringe auf die Kommode und patschte auf nackten Füßen zum Bett, angetan mit einem rosa Hemd aus Kunstseide, das ihr bis an die Hüften reichte. Sie vergewisserte sich noch einmal, daß alles gut aufgeräumt war, dann zog sie die Bettdecke weg und streckte sich genüßlich und mit einem Ausdruck katzenhafter Erwartung im Gesicht aus. Sie winkte ihn sehnsüchtig heran und lachte kehlig.
»Jetzt«, verkündete sie im Flüsterton und streckte ihm eifrig beide Arme hin, »jetzt lasse ich dich mit mir schlafen.«
Sie erzählte ihm eine Lügengeschichte, die von ein paar Stunden im Bett mit einem geschlachteten Verlobten handelte, der in der italienischen Armee gedient hatte, und alles erwies
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