Catch 22
Daneeka. »Glaubst du, daß meine Nase deshalb immer so verstopft ist, und daß ich deshalb dauernd so friere? Fühl mir mal den Puls.«
Auch Yossarián, machte sich Sorgen wegen des Ewingschen Tumors und der Melanoma. Überall lauerten Katastrophen, zu zahlreich, um gezählt zu werden. Wenn er bedachte, wie viele Krankheiten und mögliche Unfälle ihn bedrohten, dann war er im höchsten Grade darüber erstaunt, daß es ihm gelungen war, solange am Leben zu bleiben. Das war ein Wunder. Jeder Tag stellte einen gefährlichen Einsatz im Kampf gegen die Sterblichkeit dar. Und er hatte diese Einsätze nun schon achtundzwanzig Jahre lang überlebt.
Der Soldat der alles zweimal sah
Yossarián verdankte seine Gesundheit einer Mischung von Leibesübungen, frischer Luft, Kollegialität und Sportsgeist; auf der Suche nach Zuflucht vor all diesen Dingen hatte er das Lazarett entdeckt. Als der Sportoffizier von Lowery Field eines Nachmittags zu den Freiübungen raustreten ließ, meldete sich der Gemeine Yossarián 'Statt dessen auf dem Krankenrevier, da er, wie er sagte, Schmerzen in der rechten Seite verspürte.
»Scheren Sie sich weg«, sagte der diensthabende Arzt, der mit einem Kreuzworträtsel beschäftigt war.
»Wir können den Leuten nicht einfach sagen, sie sollen sich wegscheren«, bemerkte ein Korporal. »Es ist gerade eine neue Anweisung betreffend Magenbeschwerden erlassen worden. Leute -mit solchen Beschwerden müssen jetzt fünf Tage lang beobachtet werden, weil so viele von denen, die wir weggeschickt haben, gestorben sind.«
»Na schön«, knurrte der Arzt. »Beobachten Sie ihn fünf Tage lang und sagen Sie ihm dann, daß er sich wegscheren soll.«
Man nahm Yossarián die Uniform weg und legte ihn in eine Krankenstube, wo er sich glücklich fühlte, solange niemand in seiner Nähe schnarchte. Am nächsten Morgen erschien ein hilfsbereiter junger englischer Internist, um sich nach seiner Leber zu erkundigen.
»Ich glaube, es ist der Blinddarm, der mir Beschwerden macht«, sagte Yossarián.
»Aus Ihrem Blinddarm können Sie hier keinen dauernden Nutzen ziehen«, erklärte der Engländer ihm mit munterer Autorität.
»Wenn mit Ihrem Blinddarm etwas nicht stimmt, dann nehmen wir ihn heraus, und Sie sind im Handumdrehen wieder dienstfähig. Wenn Sie aber mit Leberbeschwerden zu uns kommen, so können Sie uns wochenlang an der Nase herumführen. Sie müssen nämlich wissen, daß die Leber für uns ein großes, häßliches Geheimnis darstellt. Falls Sie je Leber gegessen haben, werden Sie verstehen, was ich damit sagen will. Wir nehmen heutzutage mit Gewißheit an, daß es die Leber gibt, und wir haben auch eine ganz gute Vorstellung davon, wie sie funktioniert, solange sie tut, was sie tun soll. Alles weitere jedoch ist uns schleierhaft. Was ist schließlich eine Leber? Mein Vater zum Beispiel starb an Leberkrebs und war nicht einen Tag in seinem Leben krank, bevor dieser Krebs ihn umgebracht hat. Er hat nie den geringsten Schmerz verspürt. Ich bedauere das in gewisser Weise, denn ich haßte meinen Vater. Es gelüstete mich nach meiner Mutter, na.
Sie verstehen schon.«
»Was macht denn ein englischer Arzt hier?« wollte Yossarián wissen.
Der Arzt lachte. »Das erzähle ich Ihnen morgen früh. Und schmeißen Sie diesen blöden Eisbeutel weg, ehe Sie an Lungenentzündung sterben.«
Yossarián sah ihn nie wieder. Das war überhaupt ein angenehmer Zug an den Ärzten im Lazarett: nie sah man einen von ihnen ein zweites Mal. Sie kamen und gingen und waren einfach verschwunden. Statt des englischen Internisten erschien am Tage darauf eine Gruppe von Ärzten, von denen Yossarián keinen je gesehen hatte. Die fragten ihn nach dem Befinden seines Blinddarmes.
»Meinem Blinddarm fehlt nichts«, sagte Yossarián zu ihnen.
»Der gestrige Arzt sagte, es sei meine Leber.«
»Vielleicht ist es wirklich seine Leber«, meinte der ranghöchste weißhaarige Arzt. »Wie sieht denn die Blutsenkung aus?«
»Es ist noch keine gemacht worden.«
»Dann lassen Sie eine machen. Bei einem Patienten in solchem Zustand dürfen wir kein Risiko eingehen. Wir müssen uns unbedingt decken, für den Fall, daß er stirbt.« Er machte einen Vermerk und sagte zu Yossarián: »Inzwischen legen Sie weiter Eisbeutel auf. Das ist sehr wichtig.«
»Ich habe keinen Eisbeutel.«
»Dann besorgen Sie sich einen. Irgendwo wird es hier ja wohl einen Eisbeutel geben. Und sagen Sie Bescheid, wenn der Schmerz unerträglich wird.«
Zehn Tage
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