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CATCH - Stunden der Angst: Thriller (German Edition)

CATCH - Stunden der Angst: Thriller (German Edition)

Titel: CATCH - Stunden der Angst: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Bale
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Darf ich Ihnen das abnehmen?«
    Er griff nach der Aktenmappe, doch Stemper schwang sie behände außerhalb seiner Reichweite. »Ich schaffe das schon allein.«
    »Selbstverständlich.« Quills trat zurück, eine Hand flach auf den Bauch gelegt, in der Pose eines Matadors. »Ihr Zimmer ist im zweiten Stock. Die Treppe ist ziemlich steil, also nehmen Sie sich in Acht.«
    Das Gästehaus war düster und überheizt, und es roch nach nasser Wäsche und staubigen Radiatoren. Irgendwo im Innern des Gebäudes konnte Stemper Musik hören, ein blechernes, banales Gedudel. Der Treppenläufer war an den Rändern dunkelgrün und in der Mitte wesentlich heller, fast ganz durchgescheuert von Jahren der Abnutzung. Eine Prägetapete bedeckte die Wände, gestrichen mit vergilbtem cremefarbenen Glanzlack. In regelmäßigen Abständen hingen gerahmte Drucke mit Motiven aus dem alten Brighton an den Wänden: der Chain Pier, die Volk’s Railway, der Strand bei Black Rock.
    Ein museumsreifer Staubsauger hielt am oberen Treppenabsatz Wache. Quills blieb stehen, betrachtete Stemper mit taxierendem Blick und schnalzte leise mit der Zunge.
    »Normalerweise biete ich nur Übernachtung mit Frühstück an, aber ich hätte gerade ein Stew im Ofen, falls Sie etwas Herzhaftes vertragen könnten?«
    Stemper lächelte. »Sehr freundlich von Ihnen, aber ich bin schon zum Essen verabredet.«
    »Aber sicher. Nun ja, das Angebot steht.«
    Quills öffnete die dritte von vier Türen im oberen Flur und zeigte Stemper sein Zimmer. Es war genauso abgewohnt wie der Rest des Hauses, aber immerhin schien es ganz sauber zu sein. Am Bett stand eine Vase mit frischen Blumen, auf dem Fensterbrett Potpourri-Schalen. Weitere historische Drucke zierten die Wände. Stemper stellte sein Gepäck ab, während Quills in der Tür stand und ungeduldig auf sein Urteil wartete.
    »Ich hoffe, es entspricht Ihren Vorstellungen?«
    »Ja.« Stemper trat ans Fenster, das von einer Gardine verdunkelt wurde. Die Aussicht war bescheiden – der Blick ging auf die Rückfront eines Hauses in der Parallelstraße.
    »Und was führt Sie an unsere sonnigen Gestade?«
    »Geschäftstermine.« Stemper entdeckte zwei Fliegen, die sich in der Gardine verfangen hatten: Eine war tot, die andere zappelte noch.
    »Dann sind Sie also kein Schauspieler?«
    »Schauspieler? Nein, wieso?«
    Stemper drehte sich um und sah gerade noch, wie der Pensionsinhaber mit den Schultern zuckte. Er hatte die Hände in einer wehmütigen Geste an die Brust gelegt.
    »Sie werden vielleicht lachen, aber ich bilde mir ein, dass ich ein Talent habe, Berufe zu erraten, und bei Ihnen habe ich gleich an etwas mit Theater oder Film gedacht. Sie haben eindeutig etwas von einem Alec Guinness an sich.«
    Stemper schüttelte den Kopf. »Nein, so glamourös ist es nicht, was ich mache.« Er ließ einen Moment verstreichen, ehe er fragte: »Und Sie?«
    Quills strahlte vor Dankbarkeit. »Oh, heutzutage dilettiere ich nur noch hier und da. Amateurkram – aber ich war als Statist beim Remake von Brighton Rock mit dabei. Haben Sie den Film gesehen?«
    »Nein.«
    »Eine wundervolle Erfahrung. Ich habe an der Seite von John Hurt und Dame Helen Mirren arbeiten dürfen. So eine liebenswürdige Frau, Dame Helen …«
    Stemper nickte. »Großartig. So, jetzt sollte ich mich aber ans Auspacken machen.«
    »Natürlich. Bitte sagen Sie Bescheid, falls Sie irgendetwas brauchen.«
    Die Tür wurde geschlossen, doch Stemper spürte, dass der andere Mann noch draußen stand und lauschte. Er rührte sich nicht, bis er das Knarren der Dielen auf dem Flur hörte. Während er wartete, hob er die Hand und zerquetschte die verzweifelte Fliege mit dem Daumen.
    Nachdem er die Tür abgeschlossen hatte, öffnete Stemper die Aktenmappe, nahm sein Netbook heraus und setzte sich aufs Bett. Das gerahmte Plakat einer Varietévorstellung aus den Sechzigerjahren, das an der Wand gegenüber hing, versetzte ihn schlagartig in seine Kindheit zurück.
    Als Stemper geboren wurde, war sein Vater fast sechzig und stand vor dem Ende einer langen, wechselvollen Karriere als Entertainer, als einer der Letzten der energiegeladenen Allrounder vom alten Schlag, der als Schauspieler, Sänger, Komiker, Clown und Zauberer aufgetreten war. Stempers Mutter, mehr als eine Generation jünger als sein Vater, war zunächst Tänzerin gewesen, dann Revuegirl und schließlich die Sketchpartnerin und Assistentin ihres Mannes.
    Als Stemper zur Welt kam, war sie der Welt des Showbusiness schon

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