CATCH - Stunden der Angst: Thriller (German Edition)
seines geschmiegt und ihm in verschwörerischem Ton zugeflüstert: »Du wirst immer mein großer, erwachsener Junge sein, Daniel. Mein Held.«
Und jetzt fragte sich dieser Held, wie lange es dauern würde, bis die Zeit die Erinnerung daran löschte, dass er einen Menschen getötet hatte.
47
Jerrys Laune war ziemlich mies, als er bei den Blakes eintraf. Wieder einmal hatte er in aller Herrgottsfrühe aufstehen müssen, um nach Sussex zu fahren. Seine knauserigen Arbeitgeber wollten das Geld für ein Hotel nicht lockermachen, was bedeutete, dass er sein halbes Leben auf den verstopften Straßen des englischen Südostens verbringen musste. Dabei verpulverte er ein kleines Vermögen für Sprit, und sie besaßen auch noch die Dreistigkeit, ihm deswegen komisch zu kommen. Wollten Quittungen sehen, als ob sie noch nie was von steigenden Benzinpreisen gehört hätten.
Dazu kamen die logistischen Probleme bei der Überwachung des Bauernhauses, das ganz isoliert am Ende einer privaten Zufahrtsstraße stand. Jerry blieb keine andere Wahl, als den Wagen fast eine Meile vom Haus entfernt abzustellen und dann auf allerhand Umwegen über matschige Fußwege voller Hundehaufen zu latschen, bis er eine Stelle gefunden hatte, von wo aus er O’Briens Grundstück einsehen konnte.
Am Nachmittag hatte er gerade die Blakes darüber informiert, dass Templetons Leute das Haus ausgeräumt hatten, als Gordon anrief und ihn zu einem dringenden Treffen einbestellte. Jerry würde den Teufel tun und rauffahren, nur um hinterher wieder nach Sussex geschickt zu werden, also beharrte er darauf, dass er noch ein paar Stunden bleiben und das Geschehen beobachten müsse.
Die Blakes waren Jerry ein Rätsel: Gerade noch hatten sie ihm die Hölle heißgemacht und ihn ermahnt, das Haus genauer im Auge zu behalten, und im nächsten Moment wollten sie ihn von dort abziehen. Lange durften sie es nicht mehr so treiben, das stand mal fest.
Das mit dem Geld wurmte ihn am meisten. Seine dreißigtausend im Jahr kamen ihm längst nicht mehr so großzügig vor, nachdem er nun wusste, dass sie selbst auf sage und schreibe fünfzig Millionen spekuliert hatten. Er fragte sich, wie viel davon für ihn abgefallen wäre, wenn ihnen der Coup geglückt wäre.
»Null Komma nix«, brummelte er immer wieder vor sich hin. »Nicht ein beschissener Penny.«
Am Ende trudelte er gegen sieben bei den Blakes ein, nachdem er noch in einem Restaurant der Harvester-Kette eingekehrt war und sich ein Steak gegönnt hatte. Entschlossen, sich nicht hetzen zu lassen, hatte er ihre SMS und Anrufe ignoriert.
Die Atmosphäre war genau so abweisend, wie er es erwartet hatte. Als er ins Haus trat, blieb Patricia in der Eingangshalle stehen und versperrte ihm den Weg.
»Wo sind Sie gewesen?«, fragte sie.
»War fürchterlich viel Verkehr.«
Patricia schnaubte nur verächtlich – offensichtlich wurde von ihm erwartet, dass er irgendeine Möglichkeit fand, über den Stau hinwegzufliegen. »Und gibt es sonst noch etwas zu berichten?«
Ihr Ton gefiel Jerry gar nicht. Es hörte sich an, als wüsste sie ganz genau, dass es noch etwas gab.
»Die Schwester hatte heute Nachmittag einen Glaser da.«
»Nach dem Einbruch gab’s ja sicher was auszubessern«, bemerkte Gordon. Wenn er damit seine Frau beschwichtigen wollte, versagte er kläglich.
»Also, was gibt’s denn nun so Wichtiges?«, fragte Jerry und dachte dabei: Brauchst nicht zu glauben, dass ich mir alles von dir gefallen lasse, Lady …
Patricia wies auf eine offene Tür. »Das da.«
Sie gingen in ein Wohnzimmer, das zu betreten Jerry bisher nicht vergönnt gewesen war. Es war mit antiken Möbeln vollgestellt und wirkte durch die schwere rotbraune Tapete noch düsterer. Auf einem Fernsehbildschirm flimmerte das Standbild eines Videos; die Ecken des Bildes zitterten wie vor Ungeduld. Auf dem Boden lag eine DVD -Hülle: Nicht mit dir und nicht ohne dich.
Gordon, der aus irgendeinem Grund auf dem Bügel von Patricias Lesebrille herumkaute, deutete auf den Bildschirm. »Erkennen Sie das wieder?«
Jerry ging in die Hocke. Der Mann in der Szene kam ihm bekannt vor – ein recht guter Schauspieler. Und die Frau sah fantastisch aus, aber sie …
»Ja leck mich doch …« Ungläubig starrte Jerry das Zimmer an, in dem die Schauspieler herumtollten.
»Wir waren nur einmal dort, vor einigen Jahren«, sagte Gordon. »Aber es kam uns gleich bekannt vor.«
»Das ist das Bauernhaus, eindeutig.« Jerrys Stimme war einigermaßen ruhig,
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