Cathérine und die Zeit der Liebe
wurde. Auf Befehl der alten Jüdin hatte sie nach ihrer Mahlzeit zwei Stunden geschlafen, und jetzt dröhnten ihre Ohren. Ein Krach wie in einem toll gewordenen Vogelhaus erfüllte den großen Raum, in dem an die fünfzig Frauen durcheinanderschwatzten. Sklavinnen, meist Schwarze, umstanden das mit lauwarmem, blauem Wasser gefüllte Becken, in dem sich eine Gruppe hübscher, lachender, kreischender, schreiender und sich bespritzender Mädchen tummelte. Das Bassin bot das Bild eines kleinen Sturms, aber sein Wasser war so durchsichtig, daß es nichts oder nur wenig von den Körpern der Badenden verbarg. Alle Hautfarben waren in diesem prunkvollen, charmanten Rahmen vertreten. Die dunkle Bronze der Afrikanerinnen mit ihren schmalen Hüften und spitzen Brüsten, das zarte Elfenbein der Asiatinnen, der rosige Alabaster einiger Abendländerinnen neben dem Bernstein der Maurinnen. Cathérine sah schwarzes, rötliches, mahagonifarbenes und sogar fast weißblondes Haar; sah Augen jeder Schattierung und hörte Stimmen aller Tonlagen. Doch ihr Eintritt unter dem Schutz der Gebieterin des Harems brachte diese ganze Welt zum Schweigen und beruhigte im Nu das aufgeregte Hin und Her der Badenden. Alle diese Frauen rührten sich plötzlich nicht mehr, aller Blicke richteten sich auf die Neue, die Morayma persönlich auf den schimmernden Fliesen entkleidete, und Cathérine sah mit einem unangenehmen Frösteln, daß der Gesichtsausdruck aller dieser Frauen der gleiche war: Feindseligkeit!
Cathérine wurde sich dessen sofort bewußt und fühlte sich unbehaglich. Alle diese feindseligen Augen, die sie von oben bis unten musterten, denn die Augen der Sklavinnen blitzten nicht weniger feindselig als die ihrer Herrinnen, verbrannten sie wie glühende Kohlen. Morayma spürte schnell die gespannte Atmosphäre. Ihre harte Stimme erklang:
»Die hier heißt Licht des Morgens. Sie ist eine in Almeria gekaufte Gefangene. Sorgt dafür, daß ihr nichts Unangenehmes zustößt, damit die Nilpferdpeitschen nicht knallen! Ich werde weder den zu schlüpfrigen Bassinrand gelten lassen noch plötzliches Unwohlsein im Bad, noch einen von zu vielen Süßigkeiten verdorbenen Magen, noch das Gesims, das sich plötzlich löst, noch die in die Gärten verirrte Viper oder irgendeinen anderen Unfall! Vergeßt das nicht! Und du nimmst jetzt dein Bad.« Ein Murmeln des Mißvergnügens folgte dieser kleinen Ansprache, die Cathérine sich mit leichter Unruhe angehört hatte, aber niemand wagte einen Einwand. Trotzdem schien es Cathérine, als sie ihren nackten Fuß in das parfümierte Wasser des Beckens tauchte, als ob sie in eine Schlangengrube steige. Alle diese schlanken, schimmernden Körper waren von gefährlicher Geschmeidigkeit, und alle diese Münder mit ihren frischen Lippen schienen bereit, Gift zu spucken.
Einige Augenblicke schwamm sie ohne Begeisterung herum. Man wich ihr mißtrauisch aus, und sie hatte keine Lust, dieses wenig angenehme Bad lange auszudehnen. Schon näherte sie sich wieder dem Rand, um sich den beiden Sklavinnen anzuvertrauen, die man ihr zur Bedienung zugeteilt hatte und die sie mit dicken baumwollenen Badetüchern erwarteten, um sie abzutrocknen, als sie plötzlich ein hübsches blondes Mädchen bemerkte, das auf Kissen am Rande des Beckens ausgestreckt lag – ein hübscher, rundlicher, frischer Körper mit Grübchen und rosigem Fleisch – und ihr offen zulächelte. Instinktiv näherte sie sich ihm. Das Lächeln des jungen Mädchens wurde herzlicher. Es gab sogar seine lässige Haltung auf und streckte Cathérine seine für eine Frau etwas zu große Hand hin.
»Streck dich neben mir aus, und schenke den anderen keine Aufmerksamkeit. Es ist immer so, wenn eine Neue kommt. Verstehst du, eine neue Gefährtin bedeutet immer das Risiko einer gefährlichen Favoritin.«
»Warum gefährlich? Sind denn alle diese Frauen in den Kalifen verliebt?«
»Um Himmels willen, nein! … Obgleich es ihm nicht an Charme mangelt.«
Mehr sagte das junge Mädchen nicht. Sie hatte instinktiv aufgehört, arabisch zu sprechen, und war auf Französisch übergewechselt, und Cathérine war zusammengefahren.
»Du bist aus Frankreich?« fragte sie in derselben Sprache.
»Ja, … o ja, aus dem Land der Saône, ich bin in Auxonne geboren. Da«, fügte sie traurig hinzu, »hieß ich Marie Vermeil. Hier nennt man mich Aicha. Kommst du auch aus unserem Land?«
»Aber ja!« erwiderte Cathérine lachend. »Ich bin in Paris geboren, aber in Dijon bei meinem
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