Cathérine und die Zeit der Liebe
Onkel Mathieu Gautherin aufgewachsen, der einen Stoffhandel in der Rue du Griffon betrieb …«
»Mathieu Gautherin?« wiederholte Marie nachdenklich. »Diesen Namen kenne ich doch … Übrigens, zu komisch, aber mir scheint, daß ich dich schon gesehen habe. Wo könnte es gewesen sein?« Sie unterbrach sich. Im blauen Wasser glitt der goldene Körper einer schönen, geschmeidig schwimmenden Maurin auf sie zu. Zwei goldgrüne Augen schossen den beiden Frauen einen gehässigen Blick zu. Schnell flüsterte Marie.
»Sieh dich vor der da vor! Das ist Zorah, die augenblickliche Favoritin. Die Geier auf dem Turm der Hinrichtungen haben mehr Herz als diese Schlange. Sie ist noch schlimmer als Prinzessin Zobeida, weil die Prinzessin die Heimtücke verschmäht, welche Zorah bis zur Perfektion beherrscht. Wenn du dem Herrn gefällst, hast du von dieser Ägypterin alles zu befürchten.«
Cathérine hatte keine Zeit mehr zu weiteren Fragen. Morayma war offenbar der Meinung, sie habe jetzt genug mit Marie-Aicha geplaudert, und kam mit den beiden schwarzen Sklavinnen heran.
»Wir sprechen uns später«, murmelte Marie noch, bevor sie sich graziös ins parfümierte Wasser fallen ließ, und das mit solcher Präzision, daß Zorah ausweichen mußte, sonst wäre das junge Mädchen auf ihrem Rücken gelandet.
Obgleich so gut wie trocken, ließ Cathérine sich von den beiden Frauen gewissenhaft abreiben und dann mit einem leichten Öl massieren, das ihrem Körper eine zarte Patina von hellem Gold verlieh. Als sie sich jedoch anschickte, das ärmellose Hemd aus gestreifter Seide wieder anzuziehen, das sie bei ihrer Ankunft getragen hatte, widersprach Morayma.
»Nein. Du ziehst dich nicht sofort an. Komm mit.«
Cathérine folgte der Jüdin durch mehrere Baderäume, heiß und kalt, um schließlich in einen von eleganten Arkaden umzogenen, ganz mit blauen, roten und goldenen Blumengeflechten dekorierten Raum zu gelangen. Eine mit vergoldeten Jalousien abgeschlossene Galerie lief in Höhe des ersten Stockwerks um ihn herum. In den Nischen zwischen den Säulen befanden sich Ruhebetten aus vielfarbigen Kissen, auf denen fünf oder sechs sehr schöne Mädchen nackt, lässig und graziös ausgestreckt lagen. Morayma zeigte Cathérine das einzige noch leere Ruhebett. »Leg dich da hin!«
»Wozu?«
»Das wirst du gleich sehen. Es dauert nicht lange …«
Frauenstimmen, die ein monotones, zartes Lied sangen, waren zu vernehmen, ohne daß man die Sängerinnen sehen konnte, doch im Saal selbst sprach niemand. Nachdem Morayma Cathérine angewiesen hatte, sich in einer verführerischen Pose auszustrecken, hatte sie sich in der Mitte des Saals aufgestellt, wo in einem Marmorbecken ein Springbrunnen murmelte. Sie hob den Kopf zu der geschlossenen Galerie, als erwarte sie etwas. Gespannt blickte Cathérine in diese Richtung.
Sie glaubte, eine Gestalt hinter dem schmalen, vergoldeten Lattenwerk ausmachen zu können, eine so vollkommen reglose Gestalt, daß sie sich fragte, ob sie nicht das Opfer eines Selbstbetruges sei. All dies, dieses Bad, dieses träge Leben, steigerte noch ihre Ungeduld, endlich zu ihrem Gatten zu gelangen. Was hatte sie auf diesem Diwan zu suchen, nackt inmitten anderer, ebenfalls nackter Frauen? … Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Eine Hand hob eine der Jalousien und warf etwas, das auf Catherines Lager zurollte.
Schnell sich aufrichtend, beugte sie sich neugierig vor und bemerkte, daß es sich um einen einfachen Apfel handelte.
Sie wollte ihn ergreifen, doch Morayma war schneller; sie bemächtigte sich der Frucht, und Cathérine sah, daß sie vor Erregung rot war und ihre Äuglein vor Freude blitzten.
»Der Herr hat dich erwählt!« bedeutete ihr die Herrin des Harems. »Und dabei bist du eben erst angekommen! Noch in dieser Nacht wirst du die Ehre haben, zum königlichen Bett zugelassen zu werden. Komm schnell. Wir haben gerade noch Zeit, dich vorzubereiten. Der Herr hat es eilig.«
Und ohne Cathérine zu erlauben, sich wieder anzuziehen, zog sie sie hastig durch Säle und Galerien zu dem Pavillon, einem der bescheidensten des großen Harems, in dem sie ihre neue Errungenschaft untergebracht hatte.
Dort blieb Cathérine keine Zeit mehr, Fragen zu stellen. Der Wunsch des Kalifen verursachte ein gründliches Klarmachen zum Gefecht, das irgendwelchen Überlegungen keinen Raum ließ. Einer wahren Armee von Masseusen, Duftspezialistinnen, Pediküren, Friseusen und Ankleiderinnen ausgeliefert, hielt es
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