Cathérine und die Zeit der Liebe
nicht. Wenn jemand kommt, werde ich gedeckt sein … oder beinahe. Wenn niemand kommt, wirst du mich losbinden, wenn du zurückkehrst, und alles ist in Ordnung!«
»Wie willst du meine Abwesenheit erklären, wenn Morayma hereinkommt?«
»Ich werde sagen, du ersticktest hier und wolltest unbedingt frische Luft schöpfen.«
»Und dazu habe ich dich gefesselt und dir die Kleider abgenommen?«
»Warum nicht? Wenn du die unwahrscheinlich verrückten Ideen kennen würdest, welche die Langeweile den Frauen in diesem Harem eingibt, wüßtest du, daß Morayma nichts mehr erstaunen kann! Trotzdem, nimm dich in acht. Was du vorhast, ist außerordentlich gefährlich. Mit dem fränkischen Ritter sprechen zu wollen bedeutet, den Tod zu suchen. Wenn Zobeida dich überrascht, kann dich nichts, nicht einmal der Gedanke an den Zorn ihres Bruders, vor ihrer Wut retten. In solchen Augenblicken ist sie taub und blind allem anderen gegenüber.«
»Um so schlimmer! Wer nichts riskiert, bekommt nichts. Was mir aber Sorge macht, ist, wie ich an den Wachtposten vorbeikommen soll. Der Privatgarten Zobeidas liegt auf der anderen Seite ihrer Gemächer, nicht wahr? Und ich habe sagen hören, daß mein Gemahl dort einen abgesonderten Pavillon bewohnt.«
»In der Tat. Man nennt ihn das Prinzenpalais, weil er für einen Bruder des Sultans Mohammed V. erbaut worden ist. Er steht am Rande eines Bassins mit blauem Wasser. Der fränkische Herr verläßt ihn nur, um auf die Jagd zu gehen … und das nur unter guter Bewachung. Zobeida hat zu große Angst, daß das Heimweh nach seinem Geburtsland schwerer wiegen könnte als ihre Reize, und hat den Großwesir zu seinem bevorzugten Aufseher gemacht.«
»Ich dachte, er sei in sie verliebt?«
»Grausamkeit nach Art Zobeidas. Banu Saradj verabscheut seinen Nebenbuhler und hofft ohne Zweifel, sich seiner entledigen zu können, wenn er erst einmal Sultan ist, aber im Augenblick ist ihm nichts wichtiger, als seiner Prinzessin zu Gefallen zu sein. Sie könnte sich keinen besseren Wächter aussuchen und weiß es sehr gut. Aber zurück zu unserem Plan. Es ist nicht so schwierig, in Zobeidas Garten zu gelangen. Nahe meinem Gemach gibt es eine kleine Pforte, die immer verschlossen ist, die man aber mit einem Eisenplättchen und etwas Geschicklichkeit aufbrechen kann. Sie führt in die Gärten. Eine Mauer trennt den Garten Zobeidas ab, aber sie ist ziemlich niedrig, und jeder Behende kann sie leicht übersteigen, indem er sich an den Ästen der an ihr stehenden Zypressen festhält. Du müßtest es schaffen, nach all deinen Abenteuern.«
»Schaff ich auch. Aber warum flieht mein Gemahl nicht, wenn die Mauer so leicht zu überwinden ist?«
»Weil das Prinzenpalais von den treuesten Eunuchen Zobeidas streng bewacht wird. Sie sind zahlreich, blind ergeben, und ihre Krummschwerter sind scharf.«
Das klang offensichtlich nicht beruhigend. Cathérine ließ indessen die besorgniserregenden Einzelheiten beiseite und machte sich daran, sich genau über den zu verfolgenden Weg klarzuwerden, um zuerst das Zimmer Maries zu erreichen, ohne Neugier zu erwecken, dann von da aus die berühmte kleine Pforte, die die junge Odaliske ihr eingehend beschrieb. »Man würde sagen, daß du sie gut kennst!« bemerkte Cathérine.
»In den Gärten des Kalifen wachsen besonders saftige, riesige Pflaumen, die nur seinem Tisch vorbehalten sind … und ich bin doch so schrecklich gefräßig!«
Cathérine mußte lachen. Die beiden Freundinnen plapperten weiter, drauf wartend, daß der Tag sich neigte.
Denn der Plan, den sie ausgeheckt hatten, ließ sich nicht im vollen Sonnenlicht ausführen, und Cathérine, die es um so eiliger hatte, zu ihrem Gatten zu gelangen, als jede Nacht ihr Qualen bereitete, kamen die Stunden unendlich lang vor.
Sie wußte nur zu genau, wie Zobeida ihre Nächte verbrachte. Mit wahrer Erleichterung sah sie die Dämmerung hereinbrechen. Als die Sklavinnen mit den Abendgerichten erschienen, befahl sie ihnen, alles hinzustellen und zu verschwinden.
»Wir kommen wieder, um dich zu Bett zu bringen, Herrin«, sagte die Obersklavin.
»Nein. Ich gehe allein schlafen. Meine Freundin wird noch einen Augenblick bei mir bleiben. Wir wollen, daß man uns in Ruhe laßt. Teile Morayma vorsorglich mit, daß ich sie von ihrem Abendbesuch entbinde. Ich brauche nichts als Ruhe. Du kannst einen Teil der Lampen löschen. Das viele Licht schmerzt mich.«
»Wie du willst, Herrin! Ich wünsche dir eine angenehme Nacht!«
Sobald
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