Cathérine und die Zeit der Liebe
hatte, deren zarte Schleier langsam im Haus oder im Schatten des Gartens verschwanden.
Längere Zeit schwiegen die beiden Frauen. Erschöpft von dem, was sie erlebt hatte, genoß Cathérine unbewußt den Frieden, von dem dieser schöne Garten erfüllt war, die Heiterkeit und Ruhe, die von der neben ihr sitzenden Frau ausgingen. Nach den grausamen Qualen, nachdem sie hundertmal geglaubt hatte, vor Angst, Kummer und Schmerz sterben zu müssen, kam Arnauds Frau sich wieder wie im Paradies vor. Der Tod, die Angst, selbst die Unruhe waren verflogen. Gott konnte Arnaud nicht so wunderbar gerettet haben, um ihn sogleich wieder zu sich zu holen. Man würde ihn heilen, ihn retten … Dessen war sie sicher!
Ihre unfreiwillige Besucherin betrachtend, achtete die Sultanin ihre Träumerei, bevor sie auf die großen Tabletts deutete.
»Du bist sicherlich müde und erschöpft«, sagte sie liebenswürdig. »Ruhe dich aus und iß!«
»Ich habe keinen Hunger«, entgegnete Cathérine mit der Andeutung eines Lächelns. »Dagegen hätte ich gern gewußt, wie ich hierherkomme? Was ist passiert? Kannst du mir sagen, die du mich so großmütig aufnimmst?«
»Warum sollte ich mich dir gegenüber nicht liebenswürdig erweisen? Weil mein Herr seine zweite Gattin aus dir machen wollte? Unser Gesetz gibt ihm das Recht auf so viele Gattinnen, wie er wünscht, und … wenn du an meine persönlichen Gefühle denkst, schon seit langem flößt er mir nur noch Gleichgültigkeit ein.«
»Trotzdem sagt man, ihr seid noch sehr miteinander verbunden.«
»Nur äußerlich. Vielleicht hängt er in Wirklichkeit an mir, aber seine unglaubliche Schwäche für Zobeida, die Leichtigkeit, mit der er ihre schlimmsten Zügellosigkeiten duldete, ihre Verbrechen, selbst die Mordversuche, die sie gegen mich unternommen hat, dies hat langsam die Liebe in meinem Herzen getötet. Du bist mir willkommen, Licht des Morgens, und dies um so mehr, da ich weiß, was du gelitten hast. Es ist edel und schön, daß eine Frau soviel Leid für den Mann, den sie liebt, auf sich nimmt. Dein Lebensweg hat mich beeindruckt. Daher habe ich zugestimmt, Abu al-Khayr bei seinem Plan zu helfen.«
»Entschuldige, wenn ich meine Frage wiederhole, aber was hat sich eigentlich zugetragen?«
Ein belustigtes Lächeln entblößte die kleinen weißen Zähne Aminas. Sie hatte einen neben ihr liegenden Fächer aus feinen bemalten und vergoldeten Palmblättern ergriffen und bewegte ihn sanft mit ihren schmalen, hennagefärbten Fingern hin und her.
»In diesem Augenblick ist der Seigneur Mansour ben Zegris im Begriff, Mohammed den Thron von Granada zu entreißen.«
»Aber … warum?«
»Um mich zu rächen. Er glaubt, ich liege im Sterben. Nein, schau mich nicht so entsetzt an«, fuhr Amina mit einem kurzen Lachen fort, »ich fühle mich wohl, aber Abu, der Arzt, hat das Gerücht in Umlauf gesetzt, der Großwesir, wahnsinnig vor Schmerz über den Tod Zobeidas, habe mich vergiften lassen, damit ich meine Feindin ins Reich der Toten begleite und nicht Muße habe, mich am Tod der Prinzessin zu weiden.«
»Und Mansour ben Zegris hat das geglaubt?«
»Heute morgen ist er wie ein Verrückter hier hereingestürzt. Er traf meine Frauen an, wie sie ihre Schleier zerrissen, meine Dienerinnen stießen Klageschreie aus, und ich lag auf meinem Bett, blaß wie der Tod.« Sie unterbrach sich, um Cathérine zuzulächeln. Und da sie die Frage voraussah, die kommen würde: »Abu al-Khayr ist ein großer Arzt. Mansour hat mich übrigens nur von ferne gesehen und keinen Augenblick gezweifelt. Von diesem Augenblick an war der Angriff auf die Alhambra beschlossene Sache. Abu, der Mansour gut kennt, hat ihm eingeredet, die Stunde der Hinrichtung sei der günstigste Zeitpunkt für den Angriff, da der Kalif, sein Hof und ein Teil seiner Truppen außerhalb der Festung sein würden. So wurde alles beschlossen, und als die Trommeln der königlichen Moschee Alarm schlugen, hat Abu al-Khayr durch sein Gähnen das mit deinen Dienern verabredete Zeichen gegeben. Das übrige kennst du …«
Diesmal hatte Cathérine verstanden. Abu hatte einen Aufstand angezettelt, indem er Mansour aufwiegelte, um im Schutze der allgemeinen Unruhe die Flucht des Verurteilten bewerkstelligen zu können.
»Gott sei gelobt«, seufzte sie, »daß er meinem Gatten die Kraft gab, so viele Leiden auszustehen, ohne daran zu sterben!«
Die dünne Stimme des kleinen Arztes erhob sich hinter Cathérine und veranlaßte sie, sich umzudrehen.
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