Cathérine und die Zeit der Liebe
gekommen, um meine Leute zu stärken und selbst Kräfte zu sammeln, ehe ich fliehe. Mein Palast ist bereits in Feindeshand. Ich bin glücklich, dich am Leben zu sehen, aber ich muß fliehen. Wenn deine Schützlinge Mohammed entkommen wollen, müssen sie Granada noch in dieser Nacht verlassen, denn der Kalif fahndet nach ihnen noch dringender als nach mir!«
Cathérine war dem kurzen Gespräch zwischen Amina und Mansour mit verständlicher Bangigkeit gefolgt. Gleichzeitig wurde sie in dem Maße, in dem sie sich den Sinn des Gesagten vergegenwärtigte, von Überdruß befallen. Wieder fliehen, wieder sich verstecken müssen … und unter welchen Bedingungen! Wie sollte man ihren verwundeten und von Abu unter Drogen gesetzten Gatten aus Granada hinausbringen? Schon wollte sie der Sultanin diese Frage stellen, als deren sanfte Stimme sich von neuem erhob, diesmal aber, wie Cathérine feststellte, mit einem leisen Unterton von Zorn.
»Du willst mich also wieder verlassen, Mansour? Wann werde ich dich wiedersehen?«
»Nichts hindert dich, mir zu folgen! Warum bleibst du bei diesem Mann, der dir nur Enttäuschungen und Schmerz bereitete? Du weißt, daß ich dich liebe, und ich kann dich glücklich machen. Der Große Sultan würde dich mit Freuden aufnehmen …«
»Eine Ehebrecherin würde er nicht aufnehmen. Solange Mohammed lebt, werde ich hierbleiben müssen. Du mußt jetzt daran denken, das Meer zwischen dich und ihn zu bringen. Welchen Weg schlägst du ein? Motril?«
Der schwarze Reiter schüttelte den Kopf.
»Zu leicht! Dort wird man mich zuerst suchen. Nein. Almeria! Die Strecke ist zwar länger, aber Prinz Abdallah ist mein Freund, und ich habe ein Schiff im Hafen.«
»Dann nimm den Franken und seine Gattin mit. Allein sind sie verloren. Mohammeds Reiter werden sie schnell ergreifen. Bei dir haben sie wenigstens eine Chance …«
»Was für eine? Ihre Beschreibung muß in dieser Minute durch Eilkurier an alle Grenzposten und alle Häfen abgehen … Ich werde mich immer aus der Affäre ziehen, weil ich überall Freunde, Diener habe. Aber für ihre Haut gebe ich nicht viel.« Ohne Cathérine Zeit zur Bestürzung zu lassen, mischte Abu al-Khayr sich ein:
»Einen Augenblick, Seigneur Mansour! Sei nur einverstanden, sie mitzunehmen, und ich werde mich darum kümmern, sie zu verbergen. Ich habe nämlich eine Idee. Übrigens werde ich euch begleiten, wenn du gestattest. Solange meine Freunde nicht endgültig außer Reichweite der Henker des Kalifen sind, kehre ich nicht nach Hause zurück.«
Der kleine Arzt hatte mit so viel einfacher Größe und wahrem Adel gesprochen, daß Mansour es nicht wagte abzulehnen.
Während Cathérine ihrem Freund voll tiefer Dankbarkeit die Hand drückte, brummte Mansour:
»Es ist gut! Tu, was du für richtig hältst, Arzt Abu, aber wisse: In einer halben Stunde werde ich diesen Palast verlassen! Das ist die Zeit, die ich zur Stärkung meiner Leute und Pferde brauche, wie ich dir bereits sagte. Wenn deine Schützlinge bis dahin nicht bereit sind, bleiben sie hier. Mein letztes Wort!«
Abu al-Khayr neigte schweigend den Kopf. Mansour drehte sich auf den Fersen um und ging zu der dunklen Schar zurück, die in geschlossener Formation neben dem Portal, die Zügel in den Händen, bewegungslos wartete, eine schwarze, von glänzenden Augen durchbrochene Mauer. Der Anführer sprach einige Worte zu ihnen, worauf sie schweigend, einer hinter dem anderen, in den Wirtschaftsgebäuden des Palastes verschwanden. Der Arzt wandte sich nun an Cathérine und Amina.
»Kommt«, sagte er, »wir haben nicht viel Zeit.«
Doch als Cathérine über die Schwelle des Palastes trat, kam ihr eine Idee.
Flink nahm sie den prächtigen Gürtel Harun al Raschids ab und hielt ihn der Sultanin hin.
»Da!« sagte sie. »Dieser Gürtel gehört dir. Um nichts in der Welt würde ich ihn mitnehmen wollen.«
Einen Augenblick strichen die schlanken Finger Aminas zärtlich über die riesigen Gemmen. Es lag Trauer in ihrer Stimme, als sie murmelte:
»An dem Tag, an dem ich ihn zum erstenmal trug, glaubte ich, er sei die Kette des Glücks … Aber inzwischen habe ich begriffen, daß er eine richtige Kette war, nichts als eine Kette … und sehr schwer. Heute abend erhoffte ich, daß meine Fesseln sich lösen würden … Ach! Sie sind noch da, und du bringst mir den Beweis! Tut nichts! Sei trotzdem bedankt …«
Die beiden Frauen schickten sich an, dem Arzt in die Privatgemächer Aminas zu folgen, als zwei große,
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