Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Cathérine und die Zeit der Liebe

Titel: Cathérine und die Zeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benzoni Juliette
Vom Netzwerk:
unter seinem Gewand hervorgezogen hatte.
    »Aber … Arnaud!«
    »Laß Gauthier nur machen!«
    Tatsächlich riß der Riese jetzt die Pfeile, die Arnaud an das Kreuz nagelten, heraus, warf sich den reglosen Körper wie ein Paket über die Schulter und rutschte die Leiter des Schafotts hinunter. Josse, der sein Pferd langsam wieder in die Gewalt bekommen hatte, war plötzlich zur Stelle, am Zügel neben sich ein zweites, besonders kräftiges Pferd führend, ein schweres Schlachtroß mit breiter Kruppe. Der Riese bestieg es trotz seiner Last mit außerordentlicher Behendigkeit, preßte dann die Knie zusammen und drückte die Sporen, die er unter seinem Gewand trug, dem großen Roß in die Weichen. Das schoß wie eine Kanonenkugel davon, quer durch die in einem wüsten Durcheinander wogende Menge, und kümmerte sich nicht um die Leiber, die es unter seinen Hufen zertrampelte …
    »Du siehst«, sagte die ruhige Stimme des kleinen Arztes, »er braucht uns nicht.«
    »Aber was ist denn los?«
    »Keine große Sache: eine Art kleine Revolution! Ich werde es dir erklären. Auf jeden Fall hat unser Kalif im Augenblick andere Sorgen. Komm, jetzt ist der richtige Augenblick. Niemand beschäftigt sich mit uns.«
    In der Tat, auf dem Platz herrschte die größte Verwirrung. Man schlug aufeinander ein. Die Menge der Frauen, Kinder, Possenreißer, Greise und kleinen Händler floh in alle Richtungen, versuchte, nicht immer mit Erfolg, den Hufen der aufgeregten Gäule auszuweichen. Die Palastwachen waren in ein Handgemenge mit einem Trupp schwarzgekleideter und verschleierter Reiter geraten, der plötzlich, niemand wußte, woher, aufgetaucht war. Auch auf den Tribünen schlug man sich, und Cathérine konnte sehen, daß Mohammed tapfer seinen Part in diesem kriegerischen Konzert spielte. Todesröcheln mischte sich mit Wutschreien, mit dem Stöhnen Verwundeter. Die schwarzen Vögel am malvenfarbenen Himmel hatten ihre Kreise verengt und flogen jetzt tiefer.
    Der Mittelpunkt des Wirbels, der Befehlshaber der schwarzen Reiter, um den sich einige verschleierte Männer geschart hatten, die bis dahin teilnahmslos in der Menge gestanden hatten, war ein großer, hagerer Mann dunkler Hautfarbe, auch schwarz gekleidet, aber mit unverhülltem Gesicht und einem fabelhaften Rubin am Turban. Sein Krummschwert sauste nach allen Seiten, schlug Köpfe ab wie die Sense des Schnitters die Ähren des Korns. Das letzte, was Cathérine noch sehen konnte, während Abu al-Khayr sie mitzog, nachdem er sie auf ein Pferd gesetzt hatte, war der Tod des Großwesirs. Das Krummschwert des Reiters schnitt ihm den Kopf ab, der einen Augenblick später am Sattel seines Besiegers hing. Auf der königlichen Moschee der Alhambra schlugen Allahs Trommeln immer noch …
    Die Stadt war wahnsinnig geworden. Während Abu al-Khayr, der auch ein Pferd bestiegen hatte, ihren Weg durch die weißen Gassen mit den blinden Mauern verfolgte, konnte Cathérine Szenen sehen, die sie an das Paris ihrer Kindheit erinnerten. Überall schlugen sich die Menschen, überall rann Blut. Es war gefährlich, unter einem Flachdach durchzureiten, denn es regnete Wurfgeschosse jeder Art, und manchmal löste sich aus der rasenden Menge die unheimliche Gestalt eines der fremden verschleierten Reiter. Ein Krummschwert blitzte dann unter den Öllampen auf, denn die Nacht brach an, und es folgte ein Todesschrei. Aber Abu al-Khayr hielt nicht an.
    »Beeilen wir uns«, sagte er immer wieder. »Es kann sein, daß die Stadttore früher geschlossen werden.«
    »Wohin führst du mich denn?« fragte Cathérine.
    »Wohin der Riese deinen Gatten geführt haben muß. In den Alkazar Genil, zu der Sultanin Amina.«
    »Aber warum?«
    »Nur noch etwas Geduld. Ich sagte dir doch, daß ich es dir erklären werde. Schneller, schneller! …«
    Der Höllenlärm, die Schreie, die Gefahr schienen die tiefe Freude, die Cathérine empfand, nicht dämpfen zu können! Sie war frei, Arnaud war frei! Das ganze Szenarium der Hinrichtung war verschwunden, und der muntere Schritt des Pferdes war im Gleichklang mit den freudigen Schlägen ihres Herzens! Schließlich fielen sie in Galopp, ohne sich darum zu kümmern, wen sie niederritten. Das Südportal, das glücklicherweise noch offen war, wurde in sausendem Galopp durchritten, dann klapperten die Hufe der Pferde auf der kleinen römischen Brücke, die über die schäumenden, klaren Wasser des Gebirgsbaches führte. Bald tauchte neben der weißen Kuppel einer kleinen Moschee ein

Weitere Kostenlose Bücher