Cathérine und die Zeit der Liebe
Seine Ärmel wieder auf die frisch gewaschenen Hände herunterrollend, nahm Abu al-Khayr auf den Kissen Platz.
»Er ist viel weniger schwach, als anzunehmen war und sein Verhalten glauben machte, meine Freundin, aber diese Täuschung mußte sein!« sagte er, während er mit den Fingerspitzen vorsichtig ein von Honig triefendes Stück Kuchen nahm und es sich, ohne einen Tropfen fallen zu lassen, in den Mund schob.
»Was wollt Ihr damit sagen?« fragte Cathérine unwillkürlich auf französisch.
»Daß er nicht viel gegessen hat, aber ein wenig hat trinken können, dank Josse, der im Ghafar aufpaßte, und, besonders, daß er geschlafen hat. Wie hat dir in letzter Zeit die Rosenkonfitüre geschmeckt?«
»Ausgezeichnet, aber ich dachte, die Wachen hatten Befehl, den Gefangenen um jeden Preis am Schlafen zu hindern, und der Großkadi habe Männer zu ihm geschickt, um sich dessen zu vergewissern.«
Abu al-Khayr lachte.
»Wenn ein Mensch so tief schläft, daß nichts und niemand ihn aufwecken kann, und wenn man den Auftrag hat, ihn daran zu hindern, dann ist es das beste, diesen Umstand zu vertuschen, sofern man nicht bestraft oder lächerlich gemacht werden will. Die Männer des Kadis hängen an ihrem Kopf wie jeder andere Sterbliche auch. Dein Gatte hat drei volle Nächte schlafen können.«
»Aber nicht dank der Rosenkonfitüre?«
»Nein. Dank des Wassers, das Josse ihm in einem unter seinem Turban versteckten kleinen Schlauch brachte. Gewiß, man hat ihm nicht viel zu trinken geben können, aber es hat genügt, ihn bei klarem Bewußtsein zu halten.«
»Und jetzt?«
»Jetzt schläft er, von Josse bewacht. Ich habe ihm Ziegenmilch mit Honig zu trinken gegeben und ihm dann von neuem das Schlafmittel verabreicht.«
»Aber … seine Hände?«
»Man stirbt nicht an durchbohrten Händen, wenn das Blut rechtzeitig gestillt wird und die Wunden früh genug behandelt werden. Du solltest auch an Ruhe denken. Hier seid ihr in Sicherheit, ganz gleich, wie der Kampf ausgehen wird.«
»Wer wird ihn gewinnen?«
»Wer kann das wissen? Mansours Versuch ist ein wenig zu hastig vorbereitet worden. Gewiß, er hatte den Vorteil der Überraschung, und seine Wüstensöhne sind die tapfersten Krieger der Welt. Aber sie sind nicht zahlreich, und der Kalif hat viele Wachen. Andererseits ist mindestens die Hälfte der Stadt auf Mansours Seite.«
»Und wenn einer von beiden stirbt, der Kalif oder Mansour?« fragte Cathérine mit instinktivem Entsetzen. »Ihr habt den Zorn dieser Männer entfesselt, und das nur, um uns zu retten? Verdienen wir es, daß man uns so viele Menschenleben opfert?«
Die Hand Aminas legte sich beruhigend und sanft auf die Catherines.
»Zwischen Mansour ben Zegris, meinem Vetter, und dem Herrn der Gläubigen hört der Krieg nimmer auf. Ein Nichts facht ihn wieder an. Die Zeit dämpft ihn einen Augenblick! … Wie es heißt, soll der Kalif sich entfernen, um der Stadt Zeit zu lassen, sich zu beruhigen. Solange er lebt, wird Mansour den Thron nicht einnehmen können. Die Ulemas würden es nicht erlauben …«
»Aber wenn Mansour besiegt wird? Was geschieht dann mit ihm?« fragte Cathérine, trotz allem an diesem grausamen und blutrünstigen Mann interessiert (hatte sie nicht mit angesehen, wie er Banu Saradj köpfte?), dem sie aber das Leben ihres Gatten und ihr eigenes verdankte. Sie hatte das prickelnde Gefühl, Komplizin der Täuschung zu sein, der er zum Opfer gefallen war.
Abu al-Khayr zuckte die Schultern und nahm sich noch ein Stück Kuchen.
»Beruhige dich! Er ist nicht so dumm, sich fangen zu lassen. Wir haben sein Leben nicht über die Maßen in Gefahr gebracht. Wenn er besiegt wird, wird er übers Meer fliehen und Zuflucht in Fes suchen, wo er einen Palast und Ländereien besitzt. Nach einigen Monaten wird er dann arroganter denn je mit neuen Streitkräften zurückkehren. Und alles beginnt wieder von vorn. Diesmal jedoch wird er sich vor Banu Saradj in acht nehmen müssen. Zobeidas Tod hat ihn wirklich halb wahnsinnig gemacht.«
»Der Großwesir ist tot!« sagte Cathérine. »Ich habe einen schwarzgekleideten Reiter mit einem riesigen Rubin am Turban gesehen, der ihm den Kopf abschlug und den Kopf dann an seinen Sattel band.«
Erstaunt stellte sie fest, daß Abu al-Khayrs Gesicht sich aufhellte.
»Der Weise sagt, es sei schlecht, den Tod seines Feindes zu segnen … aber ich muß ehrlich gestehen, daß ich Haben-Ahmed Banu Saradj nicht beweinen werde!«
»Wenn Mansour gleichzeitig nur die
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