Cathérine und die Zeit der Liebe
ganze Familie hätte niedermachen können!« wandte die Sultanin mit plötzlicher Heftigkeit ein. »Aber diese Leute scheinen sich wie die Fliegen zu vermehren, sie werden immer zahlreicher …«
»Begnügen wir uns mit dem erzielten Resultat, und hoffen wir, daß …«
Heftige Schläge gegen das Portal schnitten ihm das Wort ab. Von jenseits der hohen Mauer erhoben sich Schreie und Rufe.
Dann erklang das seltsame Geheul, das zuvor der kleine Arzt schon ausgestoßen hatte. Sklaven stürzten herbei. Die kolossale, mit Bronzenägeln bestückte Pforte bewegte sich geräuschlos in ihren Angeln, aber die Männer, die sie handhabten, hatten gerade noch Zeit, sich nach hinten zu werfen, um dem wütenden Ansturm einer Gruppe verschleierter Reiter auszuweichen. An der Spitze erkannte Cathérine den Mann mit dem Rubin und wandte die Augen ab. Der Kopf mit den geschlossenen Augen baumelte nach wie vor am Sattelbogen. Ohne die geringste Überraschung zu zeigen, erhob Amina sich und blieb am Rande der Rosenrabatte stehen. Nur ihren malvenfarbenen, goldlasierten Schleier zog sie sich übers Gesicht. Bei ihrem Anblick schien der schwarze Reiter auf der Stelle zu erstarren. Cathérine sah, daß er einen schönen, grausamen Mund mit einem Schnurrbärtchen und wilde Augen in einem hageren, melancholischen Vogelgesicht hatte.
Mansour ben Zegris ließ sich mehr vom Pferd fallen, als daß er abstieg, und ging mit abgehackten Schritten auf Amina zu. Drei Schritte vor ihr blieb er stehen.
»Du lebst?« brachte er schließlich hervor. »Durch welches Wunder?«
»Abu al-Khayr hat mich gerettet«, erwiderte die Sultanin ruhig. »Er ist ein großer Arzt. Eine seiner Arzneien hat das Gift besiegt.«
»Allah ist groß!« hauchte Mansour so verzückt, daß Cathérine ein Lächeln unterdrücken mußte. Dieser Krieger mit dem Gesicht eines Fanatikers schien sich eine gute Portion Naivität bewahrt zu haben. Ihm den größten Bären aufzubinden, war offenbar die leichteste Sache der Welt! Wahrhaftig, der Ruf Abu al-Khayrs war groß!
Doch schon wandten sich die schwarzen Augen Mansours Cathérine zu und starrten sie an, obwohl sich die junge Frau gleich Amina verschleiert hatte. Der ungewöhnliche Anblick dieser Unbekannten überraschte ohne Zweifel den dunklen Herrn, denn er fragte:
»Wer ist diese Frau? Ich habe sie noch nie gesehen.«
»Eine Flüchtige! Die weiße Favoritin Mohammeds. Während du kämpftest, hat Abu, der Arzt, ihr und dem Verurteilten, dem Mann, der Zobeida tötete und der außerdem ihr Gatte ist, zur Flucht verholfen.«
Das Gesicht Mansours drückte unverhohlene Verblüffung aus. Offensichtlich wußte er überhaupt nichts von Cathérine und Arnaud.
»Was ist das für eine seltsame Geschichte? Und was soll das alles bedeuten?«
Cathérine erriet, daß die Sultanin unter ihrem halbdurchsichtigen Schleier lächelte. Ganz sicher kannte sie die kleinsten Gefühlsregungen ihres unruhigen Geliebten und trieb mit unglaublicher Leichtigkeit ihr Spiel mit ihm.
»Das soll bedeuten«, erwiderte sie mit feierlichem Unterton in der Stimme, »daß der Kalif sich anschickte, das heilige Gesetz zu brechen und sich fremdes Gut anzueignen. Diese Frau ist unter großen Gefahren und Entbehrungen aus ihrem fernen Frankenland gekommen, um ihren Gatten von Zobeida zurückzufordern, die ihn gefangenhielt, aber ihre Schönheit hat das Verlangen im Herzen Mohammeds erweckt. In Verteidigung seiner vom Tod bedrohten Gemahlin hat der fränkische Ritter die Pantherin getötet.«
Diese kleine Rede machte auf Mansour sichtlich tiefen Eindruck. Seine Schlußfolgerungen waren im allgemeinen von großer Einfachheit: Der Feind des Kalifen war zwangsläufig sein Freund. Sein Blick verlor das Drohende und drückte Mitgefühl aus.
»Wo ist der fränkische Ritter?« fragte er.
»Hier. Abu, der Arzt, hat ihn behandelt. Er ruht jetzt.«
»Er muß fliehen. Noch in dieser Nacht!«
»Warum?« fragte die Sultanin. »Wer soll ihn hier suchen?«
»Die Wachen des Kalifen. Der Tod dieses Hundes, dessen Kopf an meinem Sattel hängt, und die Flucht seiner Favoritin und des Mörders seiner Schwester haben Mohammed rasend gemacht. Heute nacht werden alle Häuser Granadas, selbst die Villen auf dem Lande, durchsucht … ja sogar dein Wohnsitz, Prinzessin!«
Ein Schatten trat in den hellen Blick der Sultanin.
»Du bist also gescheitert?«
»Was glaubst du wohl, weshalb ich hierherkam? Um dir die Kalifenkrone zu Füßen deines Bettes zu legen? Nein, ich bin
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