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Cathérine und die Zeit der Liebe

Titel: Cathérine und die Zeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benzoni Juliette
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Gefahr zu laufen, verletzt zu werden. In die Lücken wurde Stroh gestopft.
    Es war Zeit. Gauthier war gerade hinter seinem improvisierten Wall verschwunden, als die Hausbewohner erwachten. Die alte Urraca, die Schleiereulenaugen noch voll Schlaf, kam vorsichtig auf einer Art Leiter, die in den oberen Stock führte, herunter und begann, mit ihren ausgetretenen Latschen über den Hof und in die Küche zu laufen, Wasser aus dem Brunnen schöpfend, Holz aus dem Schuppen holend und in die Glut blasend, die sie am Abend zuvor sorgfältig mit Asche bedeckt hatte, bevor sie zu Bett gegangen war. Bald fing das Wasser im Kessel zu kochen an, während die Alte mit einem Messer, dessen Länge einen schaudern machte, dicke Scheiben Schwarzbrot abschnitt, die sie mit vom Küchenbalken losgehakten Zwiebeln auf den Tisch legte. Einer nach dem anderen, gähnend und sich reckend, kamen die Steinmetze von ihren Schlafstellen, wuschen sich prustend in einem Kübel kalten Wassers und kamen dann zum Tisch, um zu frühstücken. Cathérine, ebenfalls gähnend und sich reckend wie die anderen, hatte ihren Platz in der Kaminecke eingenommen, und dies nicht ohne Grund. Der frühe Morgen war sehr kalt, und sie war völlig durchfroren. Was Josse betraf, tat er so, als fiele es ihm schwer, richtig wach zu werden, und ging dann hinaus, um einen kleinen Rundgang über den Platz zu machen. Er wollte sehen, wie sich der neue Insasse des Käfigs im Tageslicht ausnahm. Hans blickte ihm mit einem besorgten Gefühl nach, beruhigte sich aber bald wieder. Das Augenblinzeln und Zungenschnalzen, mit denen Josse ihn bedachte, waren durchaus zufriedenstellend. Also wandte er sich an seine Arbeiter und begann, sie in ihrer Muttersprache anzureden. Cathérine erhaschte so nebenbei die Worte ›Las Huelgas‹ und verstand, daß der Baumeister ihnen ankündigte, er werde sich an diesem Tag in das berühmte Kloster begeben. Die Deutschen nickten zustimmend. Keiner sagte etwas. Einer nach dem anderen traten sie nach einem kurzen Gruß in Richtung der jungen Frau in die aufgehende Sonne hinaus und gingen mit hängenden Schultern, schon die ermüdende Tagesarbeit vor Augen, zu ihrer Baustelle. Hans warf Cathérine ein leises Lächeln zu.
    »Eßt schnell etwas, und dann brechen wir auf. Die Stadttore werden geöffnet …« Tatsächlich hörte man das Fallgatter der ganz in der Nähe gelegenen Porta Santa Maria knarren, während die Stimmengeräusche, die Schreie und üblichen Rufe den Platz zu erfüllen begannen. Hans wandte sich zur Tür.
    »Wo ist Josse?« fragte er. »Noch auf dem Platz?«
    »Ich glaube … ja!«
    »Ich hole ihn.«
    Mechanisch mit ihren schönen Zähnen noch einen Brotkanten und eine Zwiebel kauend, folgte ihm Cathérine. Josse war nicht weit. Seine hagere Silhouette mit den in die Hüften gestemmten Armen hob sich einige Klafter vom Haus entfernt ab. Er schien von einem Spektakel fasziniert zu sein, das auch Hans und Cathérine sofort fesselte. Eine Reiterschar kam auf den Platz geprescht. Die junge Frau erkannte die Stadtknechte und mitten unter ihnen den andalusischen Renner und den schwarzen Federbusch Don Martin Gomez Calvos. Im selben Augenblick kam im Laufschritt ein Trupp Zimmerleute mit Balken und Bohlen, Leitern und Hämmern an. Ein riesiger Mann, in dunkles Purpur gekleidet, schien sie anzuführen.
    »Der Scharfrichter!« stieß Hans erbleichend hervor. »Donnerwetter! Soll das etwa heißen, daß …«
    Er beendete seinen Satz nicht. Was sich vor den entsetzten Augen Catherines abspielte, war nur zu klar. Mit teuflischer Schnelligkeit richteten die Zimmerleute ein niedriges Gerüst auf, angefeuert von den energischen Gesten des Scharfrichters und dem Peitschenknallen dreier plötzlich erschienener Aufseher.
    »Es sind maurische Sklaven!« flüsterte Hans. »Wir müssen sofort fliehen. Seht, was Don Martin tut.«
    Cathérine wandte den Kopf zu dem Alkalden. In Wahrheit bedurfte es keiner langen Prüfung, um zu verstehen, was er tat. Aufrecht im Steigbügel stehend, mit einem knochigen Finger zum Himmel, dann wieder auf den Boden weisend, gab er so klar, daß man seine Worte nicht zu übersetzen brauchte, den Befehl, den Käfig herunterzuholen.
    In diesem Augenblick drehte Josse sich auf dem Absatz um und rannte zum Haus zurück. Er war leichenblaß.
    »Alarm!« rief er. »Don Martin fürchtet, die schlechte Behandlung habe den Gefangenen zu sehr geschwächt. Er hat Befehl gegeben, die Hinrichtung vorzubereiten. Und er scheint es eilig

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