Cato 01 - Im Zeichen des Adlers
denn, verdammt noch mal?«, rief Vitellius. »Wie kannst du es wagen, mich anzuschreien wie einen Markthändler! Und jetzt eine ordentliche Meldung!«
»Verzeihung, Herr.« Der Zenturio hüstelte. »Dürfte ich mich entfernen?«
»Was? Oh, ja. Du hast deine Befehle. Verschwinde.« Vitellius blickte Cato knapp zu. »Und jetzt du.«
»Herr. Zenturio Macro meldet, dass er das andere Tor hält und – «
»Verluste?«
»Etwa zwanzig, Herr. Er verfügt noch über siebzig Männer, Herr. Der Zenturio lässt fragen, ob du neue Befehle für ihn hast.«
»Befehle?«, wiederholte Vitellius unsicher. »Na schön. Sag ihm, er soll das Tor halten. Wir haben die Mauern und das Dorfinnere gesichert. Jetzt müssen wir so lange aushalten, bis Verstärkung eintrifft.« Vitellius schaute zum allmählich dunkel werdenden Himmel hoch. »Wir werden vor Einbruch der Dunkelheit zurückerwartet. Sobald der Legat merkt, dass wir in Schwierigkeiten stecken, wird er Verstärkung losschicken. Wenn wir Glück haben, wird diese bis zum Morgen eintreffen. Jedenfalls sind wir hier immer noch besser dran als im Wald.«
»Jawohl, Herr.« Cato konnte ihm da nur beipflichten.
»Schildere Macro die Lage und sag ihm, das Tor muss bis zum Eintreffen der Verstärkung unter allen Umständen gehalten werden. Hast du mich verstanden, Optio?«
Cato nickte.
»Dann los.«
9
Rund um das Germanendorf senkte sich allmählich das schmutzige Grau der Abenddämmerung herab. Als die Kämpfe zum Erliegen kamen, waren auch die körperliche Hitze und die mit der Raserei der Schlacht einhergehende geistige Anspannung verflogen, und nun zitterten die Legionäre auf der Mauer in der winterlichen Kälte. Zu allem Überdruss hatte es auch noch zu schneien begonnen, in dicken Flocken, die träge in der unbewegten Luft herabschwebten. Der geplante Hinterhalt war gescheitert, und nun zogen sich die Germanen aus der Reichweite der Speere zurück und schleuderten dem Dorf in ihrer rauen Sprache Beschimpfungen entgegen. Andere waren damit beschäftigt, Reisigbündel zu binden und die Äste junger Kiefern abzuhacken, um sie als provisorische Enterleitern zu verwenden. Die römischen Verteidiger spähten voller Besorgnis von der Mauer und warfen gelegentlich hoffnungslose Blicke in die Richtung der Römerfestung, die nur acht Meilen entfernt war. Besonders bedrohlich erschien den Legionären der Sechsten Legion der Umstand, dass in der Nähe ein größerer Baum gefällt worden war, der nun in einen Rammbock verwandelt wurde.
Macro war in der Zwischenzeit auch nicht müßig gewesen. Er hatte einigen Männern befohlen, kleinere Steine auf der Mauer aufzuhäufen, um die wenigen verbliebenen Speere zu ergänzen; eine andere Gruppe hatte er angewiesen, hinter den Toren schwerere Felsbrocken und Erde aufzuhäufen, um die Wucht des Rammbocks aufzufangen. Dies waren die üblichen Gegenmaßnahmen, doch wenn es den Germanen gelang, ihren Angriff zu koordinieren, dann würde die dünne Verteidigungslinie der Römer, welche die Dorfmauer bemannten, unweigerlich überrannt werden, wie Macro seinem Optio geduldig erklärte, während dieser die Wunde an seinem Unterarm verband.
»Und was dann?«, fragte Cato.
»Was glaubst du wohl?« Macro lächelte verzerrt und stampfte mit den Füßen auf. »Sie würden uns überrennen, und wir hätten nicht die geringste Chance. Wir würden einfach niedergemacht.«
»Bitte stillhalten, Herr. Werden sie Gefangene machen? «
»Daran sollte man besser gar nicht erst denken«, erwiderte Macro sanft. »Glaub mir, tot bist du besser dran.«
»Tatsächlich?«
»Tatsächlich.«
»Der Tribun hat gemeint, Vespasian würde uns Verstärkung schicken, wenn er merkt, dass etwas nicht stimmt. Wenn wir bis dahin durchhalten …«
»Falls«, erwiderte Macro. »Aber möglich wär’s schon. Leiste du nur deinen Beitrag.«
»Das werde ich.« Cato riss den überflüssigen Stoff ab und verknotete die Enden. »Das war’s, Herr. Wie fühlt es sich an?«
»Gar nicht so übel.« Macro bog den Arm und zuckte zusammen, als in seiner Schulter ein sengender Schmerz aufflammte. »Wird schon gehen. Hab schon Schlimmeres erlebt.«
»Dann bist du also schon verwundet worden, Herr?«
»Das gehört mit dazu, wenn man in die Armee eintritt. Auch du wirst dich noch dran gewöhnen.«
»Falls wir überleben.«
»Das werden wir bestimmt.« Macro versuchte, seiner Stimme einen zuversichtlichen Klang zu verleihen, und als er Catos düstere Miene bemerkte, boxte er ihn gegen die
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