Cato 01 - Im Zeichen des Adlers
der Rammstöße zeigten sich zwischen den schweren Holzbalken bereits die ersten Löcher, durch die man die dahinter befindlichen Germanen sah. Jeder neue Rammstoß ließ Staub und Steinchen von der Mauer herabregnen, und Macro musste mehrfach blinzeln, da ihm etwas in die Augen gekommen war. Er eilte wieder auf die Mauer und kommandierte mehrere Männer dazu ab, mit Mistgabeln das Stroh der umliegenden Hütten zu sammeln und auf dem Laufgang der Mauer aufzuhäufen. Erst als die erste Gruppe zurückkehrte, die Schilde hoch mit glühenden Kohlen bepackt, wurde Cato klar, was der Zenturio vorhatte.
»Kippt sie auf das Stroh!«
Die schwitzenden Legionäre gehorchten, und das Stroh begann trotz seiner Feuchte alsbald zu qualmen. Erste kleine Flammen züngelten empor, und als das Feuer knisternd brannte, häufte Macro noch mehr Stroh darauf. Der Qualm war jetzt so dicht, dass die umstehenden Legionäre zu husten begannen.
»Also gut! Jetzt über die Mauer damit!«, rief Macro. »Nehmt, was immer zur Hand ist, aber schafft das Zeug über die Mauer!«
Die Römer sprangen mit Mistgabeln, den wenigen verbliebenen Speeren und selbst Kurzschwertern herbei, dann fielen die brennenden, Funken sprühenden Strohbündel auf die unglücklichen Germanen mit dem Rammbock hinab. Entsetzensschreie ertönten von unten, das Dröhnen am Tor hörte auf. Macro konnte erkennen, dass der Rammbock losgelassen worden und mit brennendem Stroh bedeckt war. Die sengende Hitze traf ihn wie ein Faustschlag, deshalb wich er zurück. Der Rammbock würde so schnell nicht mehr zum Einsatz kommen, selbst wenn er nicht vollständig verbrennen sollte.
»Ha! Seht nur, wie sie rennen!« Cato strahlte. »Die werden’s heute Nacht nicht noch einmal probieren.«
»Schon möglich«, meinte Macro und nickte. »Schon möglich. Aber das war nicht ihr einziger Trumpf.«
Cato wandte sich um und sah in die Richtung, in die der Zenturio zeigte. Die Angreifer hatten die Rampen fertiggestellt, und dann flogen auch schon Fackeln aus den Reihen der Germanen in hohem Bogen empor und fielen auf die Reisigbündel. Im nächsten Moment loderten die Rampen hell auf, orangefarbene Flammen leckten an der Dorfmauer empor und trieben die Legionäre zurück. Ein unglücklicher Legionär, hell erleuchtet vom flackernden Feuerschein, wurde von mehreren Pfeilen getroffen und stürzte mit einem jäh abbrechenden Aufschrei in die Feuersbrunst. Cato schauderte, doch ehe er sich weiter mit dem Schicksal des Bedauernswerten befassen konnte, leckte auf einmal eine kleine Flamme durch eine Lücke im Laufgang.
»O nein«, murmelte er, dann wandte er sich zu Macro um. »Herr! Sieh nur!«
Als Macro sich umdrehte, flackerte gerade eine weitere, diesmal größere Flammenzunge gierig aus dem Laufgang hoch. Das Tor brannte. Ein Teil des Strohs war wohl zu dicht an der Mauer gelandet. »Das ist ja großartig! So viel zum germanischen Feuer.« Er funkelte Cato erbost an.
»Wir könnten versuchen, es zu löschen.«
»Halt den Mund! Dafür ist es längst zu spät.« Dem Zenturio schwirrte der Kopf. Alle drei Feuer an der Mauer brannten zusehends heftiger. Sie würden es nicht schaffen, sie zu löschen. Und wenn sie auf der Mauer blieben, würden sie verbrennen oder aber hübsch angeleuchtete Ziele für die germanischen Bogenschützen abgeben. Sie hatten keine andere Wahl als sich zurückzuziehen und so lange abzuwarten, bis die Brände erloschen; erst dann konnten sie wieder ihre Plätze einnehmen und die Mauer verteidigen. Da das Tor aber bereits in Flammen stand und sich zwei weitere Öffnungen durch die Mauer brannten, würde der Widerstand der Sechsten Zenturie auf dieser Dorfseite in Stundenfrist wie ein billiger Wohnblock zusammenbrechen. Bis zur Morgendämmerung war es noch lange hin, so dass sie nicht auf Vespasians Verstärkung hoffen konnten.
»Zurück!«, übertönte er das Knistern und Prasseln der lodernden Flammen. »Runter von der Mauer!«
Er wartete, bis der letzte Mann die Torrampe hinuntergestiegen war, dann blickte er ein letztes Mal zur Palisade, wo die angespitzten Pflöcke in der sengenden Hitze zischten und dampften. Jenseits der Mauer konnte er die vorderen Reihen der Germanen und ihre in der erhitzten Luft wabernden triumphierenden Gesichter deutlich erkennen. Dann rannte er zu seinen Männern hinunter, formierte die Hauptabteilung auf der Straße vor dem Tor und hieß die beiden kleineren Abteilungen entlang der von den Germanen in Brand gesetzten Mauerabschnitte
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