Cato 01 - Im Zeichen des Adlers
»Vielleicht willst du sie gar nicht wiedersehen. «
»Herrin! Ich … ich …«
»Das habe ich mir gedacht«, meinte Flavia lachend. »Offen gesagt, kann ich in den Augen der meisten Menschen lesen wie in einer aufgerollten Schriftrolle. Keine Sorge, Cato, ich werde dich nicht davon abhalten, sie zu sehen – ganz im Gegenteil. Aber lass dem Mädchen erst einmal Zeit, sich einzuleben, dann sehen wir weiter.«
»Ja, Herrin … Ich danke dir.«
»Und jetzt solltest du die Schriftrollen nehmen und gehen. Ich würde mich ja gern noch länger mit dir unterhalten, aber es ist noch so viel zu tun. Verschieben wir’s auf ein andermal. Vielleicht könnte uns dann Lavinia Gesellschaft leisten?«
»Gewiss, Herrin. Das wäre mir sehr recht.«
»Das glaube ich dir aufs Wort!«
Während sie beobachtete, wie Cato sich über die Via Praetoria entfernte, lächelte Flavia still in sich hinein. Ein netter Junge, dachte sie, und viel zu vertrauensvoll. Wenn sie die Beziehung weiter pflegte, würde er ihr eines Tages vielleicht noch von Nutzen sein.
»Na, was hast du da mitgebracht?« fragte Macro misstrauisch, als Cato ihm die Schriftrollen reichte, eine jede in einem sorgfältig beschrifteten Behältnis.
»Hauptsächlich Geschichte.«
»Keine Dichter?«
»Nein, Herr, ganz wie du befohlen hast«, antwortete Cato. »Es sind ein paar wirklich spannende Sachen dabei …«
»Spannend? Hör mal, ich will einfach bloß lesen lernen. Und das ist auch schon alles – verstanden?«
»Ja, Herr. Wenn du das wirklich willst … Nun gut, Herr, bist du mit den Buchstaben zurechtgekommen, die ich dir gezeigt habe?«
Macro langte unters Bett, zog eine Wachstafel aus Holz hervor und reichte sie seinem Untergebenen. Cato klappte sie auf und überflog den Inhalt. Auf der linken Seite jeder Tafel standen die Buchstaben, die er säuberlich in die Wachsoberfläche eingeritzt hatte. Rechts daneben befanden sich die unbeholfenen Schreibversuche des Zenturios – krakelige Linien und Bögen, die bisweilen eine flüchtige Ähnlichkeit mit dem Original aufwiesen.
»Weißt du, es war gar nicht so leicht, mit der Tafel auf dem Schoß zu schreiben«, erklärte Macro. »Das verdammte Ding ist ständig verrutscht.«
»Das sehe ich. Aber für den Anfang ganz gut. Hast du dir gemerkt, wie man die Buchstaben nennt?«
» Natürlich.«
»Würdest du sie dann mit mir durchgehen, Herr? Bloß zur Übung. Dann versuchen wir es mal mit ein paar Worten. «
Macro knirschte mit den Zähnen. »Glaubst du, ich kann es nicht?«
»Ganz bestimmt, Herr. Aber Übung macht den Meister, wie du mir ständig sagst. Sollen wir jetzt anfangen?«
Während Macro sich durchs Alphabet quälte, beschränkte Cato seine Bemerkungen auf ein Minimum, da ihm ständig Lavinias Bild vor Augen trat und es ihm nicht leicht fiel, es beiseite zu schieben. Schließlich bemerkte sogar Macro, dass der junge Mann nicht ganz bei der Sache war. Unvermittelt klappte er die Tafeln so heftig zu, dass Cato beinahe vom Hocker gefallen wäre.
»Was beschäftigt dich, mein Junge?«
»Herr?«
»Sogar ich habe gemerkt, dass ich ein paar Worte falsch geschrieben habe – und du sitzt einfach bloß da und nickst in einem fort wie ein Huhn. Was ist denn so verflucht wichtig, dass du dich nicht konzentrieren kannst?«
»Herr, es ist nichts. Bloß etwas Persönliches. Es wird nicht wieder vorkommen. Sollen wir fortfahren?«
»Solange uns deine Probleme in die Quere kommen, nein.«
Macro war es langweilig geworden, und er hätte gern weitergemacht. Außerdem hatte Catos Verschlossenheit seine Neugier geweckt.
»Spuck’s schon aus, Mann!«
»Ehrlich, Herr«, erwiderte Cato. »Es ist nicht wichtig.«
»Überlass das mir und rede. Das ist ein Befehl. Ich will nicht, das meine Männer wie Schlafwandler durch die Gegend laufen. Ihr jungen Burschen habt doch ständig Raufereien und Frauen im Kopf. Also, was ist es? Wer ist dir dumm gekommen?«
»Nie-niemand, Herr.«
»Dann bleibt nur noch eine Möglichkeit, hab ich Recht?« Macro zwinkerte anzüglich. »Also, wer ist es? Hoffentlich nicht die Frau des Legaten. Dann könntest du auch gleich dein Testament machen.«
»Nein, Herr! Die nicht«, beteuerte Cato erschrocken.
»Wer dann?«, wollte Macro wissen.
»Ein Sklavenmädchen.«
»Du willst sie flachlegen, stimmt’s?«
Cato starrte ihn einen Moment an, dann nickte er. »Und wo liegt das Problem? Mach ihr ein paar Geschenke, dann lässt sie dich schon ran. Ich hab noch keine Sklavin getroffen,
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