Cato 01 - Im Zeichen des Adlers
enden.«
»Manche Leute meinen, das wäre nur zum Besten«, sagte Cato.
»Und was dann?« erwiderte Narcissus bitter. »Die Wiedereinsetzung der Republik? Was würde uns das nützen? Dann hätten wir erneut verfeindete Lager, die sich im Senat gegenseitig mit Worten bekriegen und dann zulassen, dass sich der Kampf auf den Straßen fortsetzt, bis die ganze zivilisierte Welt vom Bürgerkrieg zerrissen wird. Liest man den scheinheiligen Unsinn der republikanischen Historiker, könnte man meinen, die Zeiten Sullas, Julius Caesars, Marcus Antonius’ und ihresgleichen seien ein goldenes Zeitalter gewesen. Dabei sollte man wissen, dass diese ’Helden’ über die Leichen dreier römischer Generationen hinweg in die Ruhmeshalle der Geschichte spaziert sind. Wir brauchen die Kaiser, wir brauchen die Stabilität einer den Staat beherrschenden Autorität. Zu etwas anderem sind wir Römer nicht mehr fähig.«
»Wir Römer?«
»Nun gut, wir Freigelassenen und die Römer«, räumte Narcissus ein. »Ich gebe zu, mein Schicksal steht und fällt mit dem des Kaisers. Hielte er nicht seine schützende Hand über mich, würde irgendein Senator den Pöbel aufhetzen, der mich innerhalb von Tagen zerfleischen würde. Mein Tod wäre erst der Anfang. Selbst ihr hier an der Reichsgrenze würdet die Folgen zu spüren bekommen.«
»Für mich macht es keinen Unterschied, wer an der Macht ist«, erwiderte Macro. »Ich bin bloß ein Soldat. Eine Armee wird es immer geben, und das allein zählt.«
»Mag sein. Aber was für eine Art von Armee? Sollte Claudius stürzen, dann gibt es trotzdem Krieg – bloß wird er gegen römische Bürger ausgefochten werden. Es könnte sogar dazu kommen, dass du dann gegen Männer kämpfen musst, die du jetzt noch als deine Freunde betrachtest. Vielleicht wird es auch ein Kampf aller gegen alle. Denk drüber nach. Und dann danke dem Kaiser.«
Cato blickte den Zenturio an, dessen Augen im Feuerschein funkelten. Der Optio wandte sich mit einem unsicheren Lächeln wieder Narcissus zu.
»Du stellst uns auf die Probe, nicht wahr? Du willst sehen, wie wir reagieren.«
»Selbstverständlich tue ich das«, räumte Narcissus bereitwillig ein. »Man möchte doch wissen, wie andere über grundlegende Fragen denken.«
»Nur gut, dass wir uns zurückgehalten haben«, meinte Macro lachend.
»Stillschweigen kann bisweilen ebenso belastend sein wie das gesprochene Wort, Zenturio. Doch ich bezweifle, dass ihr beide eine große Bedrohung für den Kaiser darstellt. Und darum seid ihr beide in Sicherheit … jedenfalls einstweilen.«
Macro blickte nervös seinen Optio an, denn er war sich nicht sicher, ob der kaiserliche Sekretär scherzte. Der starre Blick des jungen Burschen aber reichte aus, sein Gelächter schon im Ansatz zu ersticken.
»Aber genug davon.« Narcissus leerte seinen Silberbecher und setzte ihn vor dem Weinkrug ab. »Noch einen Schluck aufs gute Gelingen, dann sollten wir uns schlafen legen. Wisst ihr, es ist ausgesprochen erholsam, den römischen Intrigen für eine Weile den Rücken zu kehren. Man könnte sich an dieses Leben schon gewöhnen. Ich möchte einen Trinkspruch ausbringen«, sagte er, als Macro den Becher zur Hälfte gefüllt hatte, worauf der Zenturio seinen eigenen Becher bis zum Rand voll machte.
»Auf das Wohlleben!« Narcissus hob den Becher. »Auf die Armee, die – «
Ein Pfeil schwirrte aus der Dunkelheit heran, der kaiserliche Sekretär schrie auf, der Becher flog in hohem Bogen durch die Luft und prallte klirrend gegen einen Stein. Narcissus presste die Rechte mit schmerzverzerrtem Gesicht an die Brust.
»Was ist denn?«, fragte Cato.
»Zu den Waffen! ZU DEN WAFFEN!«, brüllte Macro und ließ seinen Becher fallen. Er sprang auf und packte Schild und Schwert, die an der Sänfte lehnten. Lediglich eine Hand voll Männer hatten sich von den Lagerfeuern erhoben, als ein Hagel von Pfeilen auf sie niederging. Mehrere Pfeile waren auf Narcissus gezielt, verfehlten diesen jedoch zum Glück und schlugen rings ums Feuer im Gras ein, aus dem die gefiederten Schäfte hervorschauten – einer prallte gegen ein rot glühendes Holzscheit und sandte einen Funkenschauer in den schwarzen Himmel empor. Der kaiserliche Sekretär hatte sich mittlerweile so weit erholt, dass er die Notwendigkeit der Selbsterhaltung einsah und sich aus dem Feuerschein herauswälzte, bis zum Gepäckwagen der Zenturie, wo er sich zwischen den Rädern flach auf den Boden drückte.
Als Cato den Schild hochriss und das
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