Cato 02 - Im Auftrag des Adlers
Vespasian nahm an, dass Vitellius die Quelle dieser Fehlinformation war. »Die Männer sind zum Kampf bereit, Herr. Mehr als bereit, sie dürsten danach. Wir wollen die verlorenen Kameraden rächen …«
»Genug!«, unterbrach ihn Plautius. »Denkst du etwa, Rhetorik geht hier über Vernunft? Wir befinden uns an der Front und nicht auf dem Forum in Rom. Ich hatte dich aufgefordert, mir einen guten Grund zu nennen, warum ich deinem Wunsch stattgeben sollte.«
»Also gut, Herr. Dann werde ich die Sache direkt beim Namen nennen.«
»Ich bitte darum.«
»Die Zweite ist unter Sollstärke. Aber du brauchst für diesen Angriff keine komplette Legion. Falls die Zweite versagt, verlierst du nur eine Einheit, die ohnehin schon ziemlich angeschlagen ist, und nicht eine frische Legion.« Gewitzt blickte er den General an. »Ich wage zu behaupten, dass du so viele unverbrauchte Einheiten wie möglich zur Hand haben möchtest, falls du Caratacus ein weiteres Mal herausfordern musst. Da kannst du dir eine erschöpfte Truppe unter Sollstärke mitten in deiner Schlachtreihe nicht leisten. Besser, du riskierst die entbehrlichere Einheit sofort.«
Plautius nickte billigend zu dieser zynischen Überlegung. Die harte Realität des Kommandierens spiegelte sich darin wider, und auf seine Art gesehen war dieses Argument ausgesprochen logisch.
»Nun gut, Vespasian. Dann also Bewährung für dich und deine Männer.«
Vespasian neigte dankend den Kopf. Sein Herz schlug heftig vor Aufregung, dass er den General hatte überzeugen können, aber auch vor Nervosität: Es war eine gefährliche Aufgabe, für die er seine Männer gerade freiwillig gemeldet hatte. Bei der Begründung seines Vorschlags war er nicht ganz ehrlich gewesen. Er hatte nicht den geringsten Zweifel, dass viele der Männer ihn für sein Vorgehen verfluchen würden, aber die Soldaten beklagten sich schließlich auch über alles und jedes. Sie brauchten den Kampf, sie brauchten einen eindeutigen Sieg, um damit zu prahlen. Wenn er die Männer in ihrem gegenwärtigen Zustand des Selbstzweifels beließ, zerstörte er die Legion und mit ihr seine Karriere. Jetzt, da er seine Leute für den Angriff verpflichtet hatte, war er auch zuversichtlich, dass die Mehrheit seine Kampfbegeisterung teilen würde.
»Dein Befehl«, erklärte Plautius förmlich, »lautet, bei Morgengrauen flussaufwärts loszumarschieren. Findet die nächstgelegene Furt und überquert den Fluss. Auf dem anderen Ufer angelangt, marschiert ihr dann flussabwärts, wobei ihr jeden Kontakt mit den Briten vermeidet. Ihr wartet im Hinterhalt, bis die Trompeten des Hauptquartiers das Erkennungssignal eurer Legion blasen, worauf ihr euch dem Angriff auf den Hügel anschließt. Ist das verstanden?«
»Jawohl, Herr. Vollkommen.«
»Schlag hart zu, Vespasian. So hart du nur kannst.«
»Ja, Herr.«
»Deine schriftlichen Befehle erhältst du im Laufe des Tages. Veranlasse am besten sofort alles Notwendige. Ich möchte, dass ihr noch vor Tagesanbruch losmarschiert. Wegtreten.«
Vespasian salutierte vor dem General, nickte Sabinus grüßend zu und wollte gerade durch die Gruppe der Offiziere zu seinem Pferd zurückgehen, als Vitellius heftig keuchend den Abhang hinaufrannte.
»Herr! Herr!«
Plautius wandte sich ihm beunruhigt zu. »Was ist los, Tribun?«
Vitellius stand stramm, schnappte noch etwas nach Luft und erstattete Bericht. »Es ist Flut, Herr. Das habe ich von unseren Kundschaftern unten beim Fluss erfahren. «
General Aulus Plautius starrte ihn einen Moment lang an. »Nun, danke, Tribun. Das ist sehr interessant. Wahrhaft äußerst interessant.«
Dann wandte er sich ab, um nochmals einen Blick auf die Verteidigungsanlagen des Feindes zu werfen und seinen belustigten Gesichtsausdruck zu verbergen.
6
Die Schatten wurden länger, während Cato reglos gegen einen Baumstamm gelehnt dastand, den mattbraunen Umhang als Polster zwischen sich und der rauen Rinde. In seiner Linken ruhte der Jagdbogen, den er sich aus dem Materiallager besorgt hatte, und in die Sehne war ein mit kräftigen Widerhaken versehener Pfeil eingespannt. Als er einen holperigen Pfad entlangging, war er auf einen kreuzenden Wildwechsel gestoßen und dessen gewundener Bahn bis zu dieser Lichtung gefolgt. Der Wildwechsel schlängelte sich durch das niedrige Farnkraut zu den Bäumen auf der anderen Seite der Lichtung. Dahinter glitzerte der Fluss durch die Blätter und Zweige und warf funkelnd das Licht der untergehenden Sonne zurück. In der
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