Cato 02 - Im Auftrag des Adlers
Botschaften gefunden hatte. Der Legat hatte die Schrift auf Anhieb erkannt und begierig danach gegriffen. Eine Nachricht von seiner Frau war genau das, was er im Moment mehr als alles andere brauchte. Etwas, das ihn eine Weile ablenkte und daran erinnerte, dass er ein Mensch war; etwas, das nichts mit den drückenden Pflichten zu tun hatte, die auf ihm lasteten. Er hatte seine Stabsoffiziere knapp angewiesen, sich um die restlichen Papiere zu kümmern, hatte dann seine Rüstung ausgezogen und das Zelt auf der Suche nach einem ungestörten Ort in einer leichten Leinentunika verlassen. Der für die Leibwache des Legaten zuständige Dekurio hatte sofort stramm Haltung angenommen, und der Befehl an seine Männer lag ihm schon auf den Lippen, doch Vespasian konnte ihn noch rechtzeitig daran hindern. Er befahl dem Dekurio, den Leuten eine Ruhepause zu gewähren. Dann schlenderte er davon, allein und ohne Leibwächter.
Hinter der Vorpostenreihe erhob sich eine kleine Kuppe mit einem Birkenwäldchen. Ein Wildwechsel zog sich mehr oder weniger gerade durch ein Dickicht aus wildem Kerbel und Brennnesseln. Kein Lüftchen regte sich; über dem unbewegten Dickicht flogen Schmetterlinge, Bienen und andere Insekten, ohne etwas von der riesigen Armee zu ahnen, die sich mitsamt ihren Pferden und Ochsen über den Hügelkamm den friedlich fließenden Fluss entlang ausgebreitet hatte. Hier oben auf der Kuppe war alles still, so gut wie nichts rührte sich. Vespasian ließ sich mit dem Rücken gegen die raue Rinde eines Baumes sinken.
Selbst hier im Schatten war die Luft warm und schwül. Der Schweiß rann ihm unter der Tunika kalt am Körper hinunter. Unten bei der Furt fiel ihm ein aufblitzender Sprühregen zwischen winzigen Gestalten ins Auge. Irgendwelche Legionäre schwammen im Fluss, zweifellos glücklich über die Gelegenheit, das kühle Wasser zu genießen. Vespasian hätte sich nichts mehr gewünscht, als schwimmen zu gehen, doch der Weg zum Fluss würde zu viel Zeit verschlingen. Und ohnehin wäre er nach dem Rückweg zum Lager auf dem Hügelkamm dann doch wieder in Schweiß gebadet.
Ein fast wundervolles Gefühl der Vorfreude hatte sich seiner bemächtigt; jetzt konnte er den Brief genießen, statt ihn im Hauptquartier einfach nur in einer Pause zwischen dem restlichen Papierkram einzuschieben. Er erbrach das Siegel und stellte sich dabei vor, wie Flavia diese Schriftrolle vor noch gar nicht so langer Zeit in Händen gehalten hatte. Das Pergament war steif, und lächelnd erkannte er es als Teil eines Geschenks, das er Flavia vor fast einem Jahr gemacht hatte. Ihre Schrift war so elegant wie eh und je. Dem Impuls widerstehend, als Erstes das Ende zu überfliegen, wie er es mit den meisten Dokumenten hielt, machte Vespasian sich daran, den Brief seiner Frau zu lesen. Er begann wie üblich mit einer spöttischen Förmlichkeit:
Geschrieben an den Iden des Juni, aus dem Hauptquartier des Gouverneurs in Lutetia.
An Flavius Vespasianus, Kommandant der Zweiten Legion und zufällig auch geliebter Gatte der Flavia Domitilla und abwesender Vater von Titus.
Lieber Gatte, ich hoffe zuversichtlich, dass du nicht in Gefahr bist und dein Bestes tust, nicht in Gefahr zu kommen. Der kleine Titus bittet dich, aufzupassen und droht damit, nicht mehr mit dir zu reden, falls du in der Schlacht fällst. Ich habe das Gefühl, er nimmt das wörtlich und fragt sich, warum ihr Leute bei der Armee so ungeschickt seid. Ich habe nicht das Herz, ihm zu erklären, worum es wirklich geht. Wozu ich auch gar nicht imstande wäre; und ich würde auch niemals die Erfahrung machen wollen, wie eine Schlacht tatsächlich ist. Du wirst es ihm vielleicht eines Tages erklären, wenn – und nicht falls – du zurückkommst.
Vermutlich möchtest du von unserer Reise nach Rom hören. Die Fahrt war bisher mühselig, da alle möglichen militärischen Einheiten zur Küste strömen. Anscheinend scheut man keine Anstrengungen, um den Erfolg unseres Feldzugs sicherzustellen. Wir kamen sogar an einer Elefantenkolonne vorbei, die nach Gesoriacum unterwegs war. Elefanten! Was General Plautius nun nach Ansicht des Kaisers mit diesen armen Geschöpfen anstellen soll, kann man nur raten. Ich kann mir kaum vorstellen, dass eine Horde unwissender Wilder viel Gegenwehr leisten kann …
Vespasian schüttelte leise den Kopf; bisher hatten sich die unwissenden Wilden weit besser geschlagen als vorhergesehen, und die Verstärkung, die zu Plautius’ Unterstützung heraneilte, wurde
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