Cato 02 - Im Auftrag des Adlers
warme Verwesungshauch der Toten und das Blut der Lebenden, und heute wimmelte es für sie im Sumpf nur so von üppigen Mahlzeiten.
Cato schlug sich auf die Wange und verfing sich mit dem Knöchel am Wangenschutz. »Scheiße!«
»Macht sich gut, wenn die kleinen Biester sich auch mal für einen jüngeren Jahrgang interessieren«, kommentierte Macro und wedelte einen Schwarm Mücken vor seinem Gesicht weg. »Wird nett sein, im Fluss zu baden und diese Quälgeister loszuwerden.«
»Ja, Herr«, stimmte Cato nachdrücklich zu. Er konnte sich im Moment nichts Schöneres vorstellen, als seine schwere, unbequeme Ausrüstung, die auf seinen nässenden Wunden fürchterlich rieb, abzuwerfen und sich in die kühle Strömung eines Flusses zu werfen. Das heraufbeschworene Bild lenkte ihn einen Moment lang völlig von seinen gegenwärtigen Plagen ab, die ihn aber gleich darauf wieder einholten und nur umso bedrückender waren. »Sollten wir versuchen, den Fluss noch heute Nacht zu erreichen, Herr?«
Macro rieb sich die Ohren mit den Handflächen, während er die verschiedenen Möglichkeiten gegeneinander abwägte. Bei der Aussicht, über Nacht auf dieser Lichtung festzustecken, wo überall die Geister der Gefallenen herumschlichen, sträubten sich ihm vor Abscheu und Entsetzen die Haare. So weit entfernt konnte der Fluss nicht liegen, aber in diesem Sumpfland war ein Vordringen in der Dunkelheit allzu gefährlich. Plötzlich kam ihm ein Gedanke: »Scheint heute Nacht nicht der Mond?«
»Doch, Herr.«
»Gut. Dann machen wir hier Rast, bis der Mond so hoch steht, dass wir den Weg erkennen können. Wir geben diesem Pfad hier eine Chance. Im Moment scheint er in die richtige Richtung zu führen. Teile zwei Wachen ein und sag den Leuten, sie sollen zusehen, dass sie so viel Schlaf wie möglich kriegen.«
»Ja, Herr.« Cato salutierte und schritt von dannen, um die Befehle zu erteilen. Als er zurückkam, lag der Zenturio mit geschlossenen Augen auf dem Rücken da und schnarchte laut. Mit einem Lächeln der Zuneigung ließ Cato sich auf der gegenüberliegenden Seite des Pfades niedersinken, nahm seinen Helm ab und legte ihn zu seiner restlichen Ausrüstung. Eine Zeit lang sah er zu, wie der Sonnenuntergang den Himmel mit düsteren Schattierungen von Orange, Rot, Violett und schließlich Indigoblau überzog. Nachdem er den Wachwechsel veranlasst hatte, legte auch er sich hin und versuchte, sich seiner Erschöpfung zu überlassen. Doch der Schmerz der Brandwunden an seiner Körperseite, das gnadenlose Gesirre der Insekten – vor allem das ununterbrochene Gesumm der Fliegen – , das donnernde Schnarchen des Zenturios und die Aussicht auf einen Zusammenstoß mit den Kampfgenossen der gefallenen Briten machten jeglichen Schlaf unmöglich. Also lag Cato unbehaglich da, erschöpft und wütend auf sich selbst, weil er nicht schlafen konnte. Das Schnarchen in seiner Nähe empfand er schon längst nicht mehr als rührend, und lange bevor der Mond zwischen den zerstreuten Nachtwolken am Himmel auftauchte, hätte der junge Optio den Zenturio am liebsten erwürgt.
22
»Optio!«, zischte eine leise Stimme.
Catos Augen öffneten sich zuckend. Über ihm ragte eine dunkle Gestalt in den sternenübersäten Himmel. Eine Hand packte ihn am blasenbedeckten Arm und rüttelte ihn, und Cato hätte beinahe vor Schmerz laut aufgeschrien, konnte sich aber gerade noch rechtzeitig auf die Lippen beißen. Er schoss hoch, vollkommen wach.
»Was ist denn?«, flüsterte Cato. »Was ist los?«
»Der Wächter meldet eine Bewegung.« Die Gestalt deutete auf die andere Seite der Lichtung, nahe dem Pfad, über den sie bei Anbruch der Dämmerung gekommen waren. »Sollen wir den Zenturio wecken?«
Cato blickte dorthin, wo das Schnarchen herkam. »Ja, das ist besser. Falls die uns hören, bevor wir sie sehen.«
Während Cato hastig seinen Helmriemen befestigte und seine Waffen zur Hand nahm, weckte der Legionär Macro so leise wie möglich, was angesichts des tiefen Schlafs des Zenturios keine leichte Aufgabe war. Selbst als Macro dann zu sich kam, schien er sich kaum aus seinem Traum lösen zu können.
»Weil es verdammt noch mal MEIN Zelt ist«, knurrte der Zenturio. »Darum!«
»Herr! Pssst!«
»W-was? Was ist los?« Macro schoss hoch und griff sogleich nach seinem Schwert. »Berichte!«
»Wir haben Gesellschaft bekommen, Herr!«, rief Cato gedämpft, während er geduckt zu seinem Zenturio hinüberschlich. »Der Wächter sagt, er hat etwas
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