Cato 02 - Im Auftrag des Adlers
rechtzeitig auf, bevor er von seinem Stuhl rutschte. Vom Schreck eiskalt erwischt, fing er sich jedoch gleich wieder. Er machte sich Vorwürfe und schaute sich dann um, ob niemandem die allzu menschliche Schwäche des Kommandanten aufgefallen war. Die Sekretäre waren im Schein der Öllampen über ihre Arbeit gebeugt, und seine Leibwächter standen in Habt-Acht-Stellung da. Nur einen Moment länger eingenickt, und er wäre vom Stuhl gerutscht und der Länge nach auf dem Boden gelandet. Bei dieser Vorstellung brannte sein Gesicht vor Scham, und so zwang er sich zum Aufstehen.
»Bring mir was zu essen!«, schnauzte er eine Ordonnanz an. »Und zwar schnell.«
Der Mann salutierte und eilte zur Feldküche davon. Vespasian wandte seine Gedanken einem weiteren Besorgnis erregenden Detail des Feldzugs zu. Einer der aus dem Sumpfgebiet zurückgekehrten Zenturionen hatte ihm ein Kurzschwert präsentiert, was an sich nichts Bemerkenswertes dargestellt hätte, wäre dem Zenturio nicht eine große britische Formation begegnet, die mit ebendiesen Schwertern bewaffnet gewesen war.
»Schau, Herr.« Der Zenturio hielt die Klinge hoch, damit sie im Mondlicht deutlicher zu sehen war. Vespasian blickte genauer hin und erkannte den Stempel einer Manufaktur.
»Gnaeus Albinus«, murmelte er. »Das ist doch eine Großschmiede in Gallien. Da ist dieses Schwert aber ganz schön weit gereist.«
»Ja, Herr. Genau.« Der Zenturio nickte höflich. »Aber das ist nicht alles, Herr. Die Schmiede von Albinus ist einer der Hauptlieferanten der Rhein-Legionen.«
»Und wir haben immer Exklusivverträge mit unseren Lieferanten. Was hat dieses Schwert also hier zu suchen?«
»Es ist nicht nur dieses eine Schwert. Im Sumpfgebiet habe ich Dutzende davon gesehen, Herr. Da wir aber seit Cäsars Tagen die erste römische Armee auf dieser Insel sind, kann der Gegner sie wohl kaum römischen Soldaten abgenommen haben.«
»Was willst du damit andeuten, Zenturio? Dass Albinus den Waffenvertrag mit dem Imperium heimlich unterwandert? «
»Das bezweifle ich, Herr.«
Die strengen Strafen für ein solches Vergehen machten dies tatsächlich ausgesprochen unwahrscheinlich. Der Zenturio zuckte mit den Schultern und fuhr dann bedeutungsvoll fort: »Wenn es aber nicht die Schmiede war, dann jemand anderes in der Bestellkette.«
»Du meinst jemand in der Armee oder im Verwaltungsapparat? «
»Vielleicht.«
Vespasian sah ihn an. »Weiter wirst du die Angelegenheit nicht verfolgen wollen, nehme ich an.«
»Ich bin Soldat, Herr«, erwiderte der Zenturio fest. »Ich führe meine Befehle aus und kämpfe gegen den Gegner, den man mir nennt. Das hier hat nichts mit dem Soldatenhandwerk zu tun. Es stinkt nach politischen Ränken, Herr.«
»Was heißt, dass ich mich deiner Meinung nach selbst um diese Angelegenheit kümmern sollte?«
»Das ist eine Frage des Rangs, Herr.«
Mit der Erwähnung des Rangs war nicht nur der militärische Grad, sondern auch die gesellschaftliche Klasse gemeint, und Vespasian musste die bittere Entgegnung hinunterschlucken, die ihm auf der Zunge lag. Dieser Zenturio sprach einfach nur die Wahrheit aus. Der Mann hatte den größten Teil seines Lebens unter der Adlerstandarte gedient und dabei zweifellos eine gesunde Verachtung für die Verschlagenheit der politischen Klasse erworben, aus der die Legaten der Legion sich rekrutierten. Vespasian, dem an der Achtung und Bewunderung seiner Untergebenen besonders viel lag, fühlte sich durch den Seitenhieb des Berufssoldaten verletzt. Er hatte gehofft, inzwischen das Vertrauen der Soldaten gewonnen zu haben, doch einige der Männer hatten eindeutig noch immer ihre Zweifel. Das heutige Fiasko im Sumpfland war den Befehlen des Generals zu verdanken, aber nicht diesem, sondern dem Legaten würden die Soldaten zuerst die Schuld geben.
Daran ließ sich jedoch nichts ändern. Es wäre eine undenkbare Zurschaustellung persönlicher Schwäche, würde er irgendeinem seiner Untergebenen erklären, dass seine Autorität Grenzen habe und er genauso zur Ausführung von Befehlen verpflichtet sei wie sie. Als Oberkommandierender befand man sich in einem unlösbaren Dilemma. Seinem General gegenüber war er verantwortlich für das Handeln seiner Männer. Seinen Männern gegenüber war er verantwortlich für die Befehle, die er an sie weitergeben musste. Entschuldigungen wurden von keiner Seite akzeptiert, und jeder Versuch einer Rechtfertigung würde bei Vorgesetzten wie Untergebenen nur demütigende
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