Cato 02 - Im Auftrag des Adlers
gefesselten Gefangenen zu bedrohen. Vitellius rümpfte angesichts dieses Gesichtsausdrucks die Nase. Dann ließ er die Klinge sinken und sägte kurz an den Riemen, bis sie rissen.
»Du hast dir die Botschaft gut gemerkt?«
»Ja.«
»Gut. Ich schicke dir jemanden, wenn ich so weit bin. Nun los.« Vitellius warf den Dolch hoch und fing ihn bei der Klinge auf, sodass der Griff zu seinem Gegenüber zeigte. »Sorg dafür, dass es gut aussieht.«
Der Brite nahm das Messer, lächelte versonnen und schlug dem Tribun dann plötzlich mit der freien Hand ins Gesicht. Mit einem Ächzlaut fiel der Tribun auf die Knie, wurde aber sofort wieder hochgezerrt, herumgewirbelt – und erhielt einen Stich mit dem Dolch in den Rücken.
»Nicht so arg!«, flüsterte Vitellius.
»Es soll überzeugend aussehen, erinnerst du dich?«
Den einen Arm um die Kehle des Tribuns gelegt, während er mit der anderen die Dolchspitze gegen dessen Rücken presste, stieß der Brite den Mann, dessen Gefangener er gerade eben noch gewesen war, über den Pfad zur Kolonne zurück.
Sobald dem Dekurio die Notlage seines Vorgesetzten klar wurde, kam er eilig auf die Beine.
»Zu den Waffen!«
»Zurück«, würgte Vitellius mühsam hervor. »Oder er bringt mich um!«
Der Dekurio winkte die Kavalleristen, die mit wurfbereiten Speeren herbeieilten, zurück. »Halt! Er hat den Tribun. «
»Das Pferd!«, schrie der britische Häuptling. »Bringt mir sein Pferd. Sofort! Oder er stirbt auf der Stelle.«
Vitellius heulte auf, als die Dolchspitze seine Haut ritzte. Bei diesem Laut eilte der Dekurio zum Pferd, band die Zügel los und reichte sie dem Briten.
Die anderen Briten waren angesichts der Konfrontation aufgesprungen und drängten nun vor, um besser zu sehen, wobei einige ermutigende Rufe ausstießen.
»Zurück mit ihnen auf den Boden!«, schrie der Dekurio, und nach einem Moment des Zögerns drängten die Kavalleristen ihre Gefangenen zurück.
Der Häuptling nutzte seine Chance. Mit einem Tritt und einem Stoß schleuderte er Vitellius gegen den Dekurio, schnappte sich die Zügel und sprang aufs Pferd. Tief über den Rücken des Tieres gebeugt trieb er es mit wilden Fersenhieben den Pfad entlang. Als der Dekurio wieder auf den Beinen stand, war der Brite hinter der Biegung verschwunden, und nur die leiser werdenden Hufschläge des Pferdes waren noch eine Weile zu hören. Die anderen Briten jubelten.
»Bringt diesen Haufen zum Schweigen!«, brüllte der Dekurio und drehte sich um, um Vitellius aufzuhelfen. Der wirkte erschüttert und erschreckt, war darüber hinaus aber unverletzt.
»Das war knapp, Herr.«
»Für ihn oder für mich?«, entgegnete Vitellius bitter. Der Dekurio war klug genug, darauf nicht zu antworten.
»Soll ich ihm nachjagen, Herr?«
»Nein. Das hat keinen Sinn. Wahrscheinlich kennt er den Weg in der Dunkelheit besser als wir. Außerdem können wir es uns nicht leisten, auch nur einen Teil der Wachmannschaft auf eine wilde Jagd zu schicken. Nein, ich fürchte, er ist davongekommen.«
»Vielleicht läuft er ja einer Gruppe unserer Leute in die Hände«, meinte der Dekurio hoffnungsvoll.
»Das bezweifle ich.«
»Schade um dein Pferd, Herr.«
»Ja, eines meiner besseren Reittiere. Aber du brauchst dir keine Sorgen um mich zu machen, Dekurio. Ich nehme dein Pferd, bis wir wieder im Lager sind.«
24
Macro …
Cato hatte versucht, jeden Gedanken an das Schicksal des Zenturios zu vermeiden. Macro war mit großer Wahrscheinlichkeit tot. Pyrax war auf jeden Fall tot. Viele seiner Kameraden in der Sechsten Zenturie waren tot. Doch er wollte den Gedanken, dass Macro nun kalt und still dort draußen im Sumpfland lag, einfach nicht hinnehmen. Obgleich der kühle, logische Teil seines Bewusstseins ihm immer wieder klarmachte, dass Macro dem Tod unmöglich entkommen sein konnte, stellte Cato sich ständig alle möglichen Arten vor, wie er doch am Leben geblieben sein mochte. Vielleicht lag er jetzt da draußen, verletzt oder bewusstlos, und wartete hilflos darauf, dass seine Kameraden kamen und ihn fanden. Vielleicht war er sogar gefangen genommen worden. Doch dann blitzte das Bild der niedergemetzelten Bataver vor Cato auf. Es würde keine Gefangenen geben, Verletzte wurden nicht verschont.
Der Optio setzte sich auf und legte die Arme auf die Knie. Er betrachtete die verbliebenen Männer der Zenturie, die um ihn herum dalagen und schliefen. Von den achtzig Mann, die dem Schiff der Invasionsflotte entstiegen waren, blieben
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