Cato 03 - Der Zorn des Adlers
klapperten. Der Legionär war einer der unlängst zur Zenturie gestoßenen Ersatzleute, ein Gallier namens Horatius Figulus. Figulus war ein durchaus annehmbarer Soldat und aufgrund seines fröhlichen Naturells in der Zenturie beliebt.
Plötzlich wurde Cato sich mit einem Ruck bewusst, dass Figulus sein Altersgenosse war. Und doch bewirkten die wenigen zusätzlichen Dienstmonate, die er dem Jungen bei den Adlern voraushatte, dass er diesen Rekruten mit dem kühlen Blick eines Veteranen betrachtete. Gewiss, ein flüchtiger Betrachter mochte den Optio durchaus für einen Veteranen halten; die Narben der schrecklichen Verbrennungen, die er im vergangenen Sommer erlitten hatte, waren deutlich zu sehen. Doch sein Bartwuchs erwies sich noch immer als so kümmerlich, dass es lächerlich gewesen wäre, an eine Rasur auch nur zu denken. Figulus dagegen hatte die üppige Gesichtsbehaarung seiner keltischen Vorfahren; beinahe täglich musste er sich den feinen, blonden Härchen auf Kinn und Wangen mit einer sorgfältig gewetzten Klinge widmen.
»Schau her, Optio!« Figulus lehnte seinen Wurfspeer gegen den Befestigungswall, kramte kurz unter seinem Umhang und zog eine Walnuss hervor. »Den hier übe ich schon seit einer Woche.«
Cato unterdrückte ein Stöhnen. Seit ein umherziehender phönizischer Gaukler der Zenturie vor einigen Wochen seine Kunststücke vorgeführt hatte, versuchte sich Figulus an seinen Zaubertricks – leider mit wenig Erfolg. Jetzt hielt der Möchtegern-Magier Cato die Walnuss vor die Augen.
»Was ist das?«
Cato starrte Figulus einen Moment lang an und verdrehte dann mit einem leichten Kopfschütteln die Augen zum Himmel.
»Das ist eine ganz normale Walnuss, nicht wahr, Optio?«
»Wenn du es sagst«, antwortete Cato mit zusammengebissenen Zähnen.
»Und wie wir wissen, haben Walnüsse nicht die Gewohnheit, sich einfach in Luft aufzulösen. Hab ich Recht?«
Cato nickte knapp.
»Jetzt schau her!« Figulus schloss die Hände zur Faust, fuhr mit schwungvoller Gebärde durch die Luft und gab dabei einen Singsang von sich, der den Zaubersprüchen des Phöniziers nachempfunden war: » Ogwarz fürimmah !« Mit einer letzten ausladenden Geste riss er die leeren Hände vor dem Gesicht des Optios auf. Aus dem Augenwinkel sah Cato, wie die Walnuss im hohen Bogen über den Befestigungswall flog.
»Was meinst du wohl, wohin diese Walnuss verschwunden ist?« Figulus zwinkerte. »Ich zeig’s dir.«
Er griff hinter Catos Ohr und runzelte die Stirn. Cato seufzte entnervt auf. Der Legionär beugte sich vor, um die Stelle hinter Catos Ohren genauer zu untersuchen.
»Moment mal, das verdammte Ding muss doch da sein.«
Cato schlug seine Hand zur Seite. »An deinen Platz, Figulus. Du hast schon genug Zeit verschwendet.«
Mit einem letzten, verwirrten Blick auf Catos Ohr nahm der Legionär seinen Wurfspeer zur Hand und richtete seine Aufmerksamkeit auf die weiße Wildnis des sie umschließenden Atrebatesgebiets. Zwar hatte der Frost die Welt mit seinem glitzernden Gewebe überzogen, doch darunter schmolz der Schnee allmählich weg, und an den Südhängen der umliegenden Hügel lugte schon der Untergrund hervor. Im Gesicht des Rekruten zeichnete sich eine Mischung aus Verlegenheit und Verwirrung ab, die Catos Mitgefühl erregte.
»Ganz gut für den Anfang, Figulus. Du brauchst einfach noch ein bisschen Übung.«
»Jawohl, Optio.« Figulus lächelte, doch das hätte er besser sein lassen, dachte Cato – aus rein ästhetischen Gründen. »Mehr Übung.«
»Nun gut. Aber erst später. Jetzt halte erst einmal nach dem Feind Ausschau.«
»Jawohl, Herr!«
Cato ließ ihn stehen und setzte seinen Kontrollgang fort. Auf dem gegenüberliegenden Abschnitt des Befestigungswalls überwachte Zenturio Macro den Rest der Zenturie. Über den Zeltreihen, die inzwischen in den Strahlen der höher gewanderten Sonne badeten, sah Cato, wie die untersetzte, breitschultrige Gestalt den gegenüberliegenden Befestigungswall abschritt, den Kopf zur fernen Tamesis und dem noch ferneren Camulodunum gewandt. Cato lächelte bei dem Gedanken, was seinem Zenturio jetzt wohl gerade durch den Kopf ging. Macro, diesem unbekümmerten, trinkfreudigen Weiberhelden war die stattliche Boudica unter die Haut gegangen. Der Zenturio hätte nie gedacht, dass eine Frau ein so vollwertiger Kamerad sein und praktisch überall ihren Mann stehen könnte, und die Zuneigung, die er für sie empfand, war für seinen Optio und alle anderen, die ihn gut kannten,
Weitere Kostenlose Bücher