Cato 03 - Der Zorn des Adlers
absolut nichts, wenn sie vorher im Schlamm stecken bleiben. Der Feind wird unsere Männer niedermetzeln. «
»Wie großartig können diese Verteidigungsanlagen denn wohl sein?«, schnauzte Plautius ihn erbittert an. »Schließlich haben diese Wilden noch nicht einmal von Belagerungstechnik gehört. Mit ihren Befestigungswällen und Palisaden können sie gerade einmal einen hungrigen Wolf oder einen einzelnen Marodeur abwehren. Ich bin mir sicher, dass ein Mann von deinem Einfallsreichtum solche Verteidigungsanlagen ohne allzu große Verluste erstürmen könnte. Oder empfindest du das Kommando über eine Legion als eine zu anspruchsvolle oder gefährliche Aufgabe?«
Vespasian klammerte sich an der Armlehne seines Stuhls fest, um angesichts dieser Verunglimpfung nicht wütend aufzuspringen. Der General war zu weit gegangen. Es war schon Wahnsinn genug, die Zweite Legion auf ein solches Himmelfahrtskommando zu schicken, doch wenn der General nun Vespasians vernünftigem Widerspruch mit dem Vorwurf der Unfähigkeit und Feigheit begegnete, war das eine Offiziersbeleidigung. Plautius’ Augen begegneten den seinen einen Moment lang voll kaltem Hohn, doch dann runzelte er die Stirn und blickte wieder in seinen Becher.
»Verzeih mir, Vespasian«, sagte Plautius leise. »Es tut mir Leid. Ich hätte das nicht sagen sollen. Keiner in der Armee zweifelt an deinen Fähigkeiten als Legat. Wie schon gesagt, ich bitte um Entschuldigung.«
Plautius blickte auf, doch in seiner Miene war kein Bedauern zu lesen. Seine Entschuldigung war nur eine Förmlichkeit, mit der er Vespasian dazu bringen wollte, weiter mit ihm über seine verrückten Pläne nachzudenken.
Bei seiner Antwort konnte Vespasian den eiskalten Hohn in seiner Stimme nur mit Mühe unterdrücken. »Meine Verzeihung ist bedeutungslos im Vergleich zur Verzeihung, die du von den fünftausend Männern dieser Legion und ihren Familien erbitten müsstest, solltest du darauf beharren, dass die Zweite Legion deinen unglückseligen Plan durchführt. Es wäre nichts anderes als ein Befehl zum Selbstmord, Herr.«
»Jetzt übertreibst du aber.« Plautius stellte seinen Becher auf den Beistelltisch und beugte sich dichter an den Legaten heran. »Nun schön, Vespasian. Ich befehle dir nicht, den Auftrag auszuführen. Ich bitte dich darum. Hast du denn keine eigene Familie? Verstehst du denn nicht, welche Dämonen mich umtreiben? Bitte erfülle mir diesen Wunsch.«
»Nein.« Vespasian schüttelte den Kopf. »Das kann ich nicht zulassen. Deine Heimsuchung, Plautius, ist eine private Tragödie. Mache sie nicht zu einer öffentlichen Tragödie. Ein Desaster wie damals unter Varus im Teutoburger Wald kann sich die Armee kein zweites Mal leisten. Im Feld ist die Armee deine Familie. Die Männer sind deine Söhne. Sie vertrauen darauf, dass du sie weise führst und keinen unnötigen Risiken aussetzt.«
»Bitte erspare mir die billige Rhetorik, Vespasian. Ich bin kein wankelmütiger Plebejer auf dem Forum von Rom.«
»Nein, allerdings nicht … Ich will es mit einem anderen Argument versuchen. Nimm deine Gefühle für deine Frau und deine Kinder. Wie du ja sagtest, habe auch ich eine Familie, und allein schon die Vorstellung, sie befände sich in der Hand der Druiden, ist quälend genug. Für dich ist das jedoch die Wirklichkeit, und dagegen sind meine quälenden Vorstellungen nur ein blasser Abklatsch. Nun nimm deine Gefühle, und vervielfältige sie um das Tausendfache. Ein solches Ausmaß an Leid wirst du den Familien und Freunden deiner Männer zufügen, die du in den Tod schickst, falls die Zweite Legion morgen ohne angemessene Vorräte und eine ausreichende Artillerieunterstützung aufbrechen muss.«
Plautius schloss die Augen und rieb sich die gerunzelte Stirn, als würde das seine seelischen Qualen mildern. Vespasian musterte ihn und suchte nach einem Hinweis, dass sein Argument etwas bewirkt hatte. Wenn der General seine Meinung nicht änderte, würde Vespasian sich weigern müssen, die Zweite morgen zu führen. Das wäre das Ende seiner Laufbahn. Aber er wollte an diesem leichtsinnigen, zum Scheitern verurteilten Plan keinen Anteil haben. Er würde Plautius zwingen, einen anderen Mann für die Position des Legaten zu suchen. Sobald Vespasian über diese Frage nachdachte, wurde ihm jedoch klar, dass der General Vespasians Nachfolger nicht aufgrund seiner Führungsqualitäten, sondern allein nach seiner Bereitschaft auswählen würde, seinem Willen nachzukommen. Ein solcher
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