Cato 03 - Der Zorn des Adlers
Wechsel an der Spitze der Legion würde die unvermeidliche Katastrophe nur noch schrecklicher machen. Vespasian merkte, dass er in der Falle saß. Wenn er das Kommando abgab, vergrößerte er das ohnehin schon enorme Risiko für seine Männer noch. Verblieb er dagegen in seiner Position, hatte er zumindest die Möglichkeit, den Schaden zu begrenzen. Lautlos verfluchte er seine Lage.
Der General öffnete die Augen und blickte auf. »Nun schön, Vespasian. Wie schnell kann die Zweite Legion zum Angriff auf die Durotriges bereit sein?«
»Mit Vorratswagen und Artillerie?«
Plautius nickte zögernd, und Vespasians Verzweiflung legte sich ein wenig. Er hatte dem General das entscheidende Zugeständnis abgerungen. Wie unklug der Plan ansonsten auch sein mochte, so hatte die Zweite Legion auf diese Weise zumindest eine Chance. Mit einem Blick auf Plautius gelangte er zu der Überzeugung, dass der General nun keinen Fingerbreit mehr zurückweichen würde.
»Ich brauche zwanzig Tage.«
»Zwanzig! Das ist zu viel.«
»Wir haben damit zwar zwanzig Tage weniger für die Suche, das stimmt, aber wäge das gegen den Verlust einer ganzen Legion ab. Außerdem … «
»Was außerdem?«
Der Legat setzte die Bruchstücke seiner Idee eilig im Kopf zusammen, bevor er weitersprach. »Nun, Herr, zwar braucht die Legion zwanzig Tage, um marschbereit zu sein, aber wir müssen mit der Suche nach deiner Familie ja nicht so lange warten.«
»Ich bin nicht in der Stimmung für Rätsel. Sag, was du denkst, Legat, und zwar verständlich.«
»Wir könnten bereits einige Männer als Kundschafter in die Dörfer und Festungen schicken, während die Legion ihren Vorstoß vorbereitet. Dieser Mann, den du mitgebracht hast – der Druidenschüler. Du sagtest, er kennt die Durotriges. Er könnte die Kundschafter führen, um herauszufinden, wo deine Familie gefangen gehalten wird. Wer weiß? Vielleicht gelingt ihnen sogar eine Befreiung. Das ist gewiss besser, als wenn die gesamte Zweite Legion durchs Feindesland stapft; die Druiden hätten dann reichlich Vorwarnung und würden deine Frau und deine Kinder einfach an einen anderen Ort verlegen.« Vespasian stockte. »Mit einer so durchschaubaren Strategie bekommen wir deine Familie wahrscheinlich niemals zurück. Falls sie in einer Festung gefangen gehalten wird und wir diesen Ort belagern, würden die Druiden deine Frau und deine Kinder höchstwahrscheinlich ermorden, bevor wir etwas erreichen könnten.«
General Plautius dachte einen Moment lang über Vespasians Vorschlag nach. »Mir gefällt das nicht. Einen verpfuschten Befreiungsversuch durch eine Hand voll Männer mitten im feindlichen Territorium kann ich nicht riskieren. Das setzt meine Familie einer viel größeren Gefahr aus als alles andere.«
»Nein, Herr«, entgegnete Vespasian fest. »Ich halte das für unsere beste Chance. Falls dein britischer Führer die Gegebenheiten wirklich kennt, haben wir eine gute Chance, die Geiseln zu finden, bevor der Feind auf den Vormarsch der Zweiten aufmerksam wird.«
Plautius runzelte die Stirn. »Gerade hast du deine beste Chance zur guten Chance zurückgestuft.«
»Besser als eine winzige oder gar keine, Herr.«
»Hast du schon irgendjemanden für diesen Auftrag im Auge?«
»Nein, Herr«, räumte Vespasian ein. »So weit habe ich noch nicht vorausgedacht. Aber wir brauchen ein paar Männer, die selbständig denken und handeln können. Sie müssten einfallsreich sein, im Ernstfall kampftüchtig …«
Plautius blickte auf. »Was ist mit diesem Zenturio, den du direkt nach unserer Landung losgeschickt hast, um Cäsars Soldtruhe zu bergen? Der und sein Optio. Die haben ziemlich gute Arbeit geleistet, wenn ich mich recht erinnere. «
»Ja, das ist richtig«, antwortete Vespasian nachdenklich. »Wirklich gute Arbeit, wahrhaftig …«
19
»Auf, meine verpennten Fräuleins!«, brüllte Zenturio Hortensius, den Kopf in Macros Zelt gesteckt. Macro lag im Tiefschlaf auf seinem Feldbett und schnarchte dröhnend. An der einen Wand des Zeltes war Cato auf der Schreibtischplatte zusammengesunken, wo er am Truppenstärkebericht der Sechsten Zenturie gearbeitet hatte, als ihn schließlich der Schlaf übermannte. Auch draußen in der Zeltreihe der Zenturie schliefen die Männer tief und fest, und ebenso der Rest der Vierten Kohorte. Außer dem Oberzenturio Hortensius. Nachdem er sich um die Verwundeten gekümmert und die Anweisung erteilt hatte, eine heiße Mahlzeit für die Kohorte zuzubereiten, hatte er
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