Cato 04 - Die Brüder des Adlers
nickte.
»Nun gut … Nun gut, du Drecksack. Sag, was du zu sagen hast.«
»Äußerst liebenswürdig von dir. Ich möchte, dass ihr mit euren Männern Calleva verlasst und euch der Zweiten Legion anschließt. Ihr könnt eure Waffen mitnehmen und ich garantiere euch freien Durchmarsch – bis zur Legion.«
Macro schnaubte verächtlich. »Und was ist dein Wort wert? Einen Scheißdreck.«
»Ruhe!«, unterbrach ihn Cato. »Warum sollten wir denn hier abziehen?«
»Mit eurer Hand voll Legionären und den paar Überlebenden der beiden Kohorten könnt ihr die Stadt nicht halten. Solltet ihr versuchen, Widerstand zu leisten, kostet es euch das Leben, und viele Einwohner Callevas werden mit euch sterben. Ich gebe euch eine Chance, diese Menschenleben zu retten. Das ist mein Angebot.«
»Was geschieht nach unserem Abzug?«, fragte Cato.
»Das könnt ihr euch ja wohl denken. Ich bringe Verica um und erkläre den Einwohnern Callevas, dass der König tot ist. Der Rat ernennt mich daraufhin zum König, und jeder Mann, der so unvernünftig ist, sich einem Bündnis mit Caratacus entgegenzustellen, wird beseitigt. Anschließend räumen wir mit euren Nachschubkolonnen auf.«
»Unter diesen Umständen können wir uns nicht ergeben. «
»Auf diese Reaktion hatte ich fast gehofft. Aber ich habe überhaupt keine Eile. Ich gebe euch bis zum Morgengrauen Zeit, eure Entscheidung zu überdenken. Bis dahin werden nicht mehr viele Atrebates bereit sein, auf eurer Seite zu kämpfen. Denn ich werde ihnen sagen, dass ihr selbst den König überfallen habt.«
»Wie kommst du auf den Gedanken, dass du so lange am Leben bleibst?«, fauchte Macro ihn an.
Tincommius lächelte nervös und trat einen Schritt zurück. Das war zu viel für Macro. Er schüttelte Catos Hand gewaltsam ab und riss das Schwert aus der Scheide. »Du kleines Arschloch! Mir reicht’s jetzt.«
Tincommius machte kehrt und raste in die Dunkelheit davon, die Calleva von allen Seiten umgab. Mit einem Aufschrei der Wut setzte Macro ihm nach, bevor Cato reagieren konnte. Der junge Zenturio stürzte sich instinktiv auf das Bein seines Freundes und brachte Macro zu Fall. Als beide Männer sich wieder aufgerappelt hatten, war Tincommius nur noch ein Schatten, der mit der Nacht verschmolz. Macro drehte sich wütend zu Cato um.
»Was soll das, verdammt noch mal?«
»Zurück durchs Tor!«, befahl Cato. »Schnell!«
Macro wollte sich das nicht gefallen lassen und hob drohend sein Schwert. Plötzlich schlug ganz in der Nähe ein Pfeil ins Tor, und gleich darauf schwirrten weitere Pfeile aus der Dunkelheit heran und fuhren in die verwitterten Balken. Ohne ein weiteres Wort schlüpfte Macro hinter Cato durch die schmale Lücke und das Tor wurde eilig verriegelt.
»Das war knapp!« Macro schüttelte den Kopf und wandte sich dann seinem jungen Freund zu. »Danke …«
Cato zuckte mit den Schultern. »Heb dir das für später auf. Erst mal müssen wir aus diesem Schlamassel hier rauskommen. «
Plötzlich ertönte Tincommius’ Stimme in der Dunkelheit und rief etwas auf Keltisch.
»Was sagt er?«, wollte Macro wissen.
»Er fordert die Bewohner Callevas auf, sich ihm anzuschließen … Er rät den Überlebenden der Wölfe und Keiler, ihre römischen Befehlshaber zu verlassen und wieder freie Menschen zu werden …«
»Oh! Ist ja reizend von ihm. Der Junge hätte Rechtsverdreher werden sollen. Komm, wir müssen dem ein Ende bereiten. «
Macro voran, stiegen sie wieder zum Wehrgang hinauf. Mehrere der einheimischen Soldaten musterten sie heimlich mit schuldbewusster Miene und Cato befürchtete, dass Tincommius Recht hatte: Viele dieser Männer waren wahrscheinlich bis Sonnenaufgang verschwunden. Sie würden verstohlen über den Wall klettern, zum Feind überlaufen und dem neuen König Treue schwören. Einige würden bleiben; aus Pflichtgefühl gegenüber Verica, aus Pflichtgefühl gegenüber ihren Kameraden und vielleicht sogar aus Pflichtgefühl gegenüber ihren Offizieren, die sie inzwischen mit der widerwilligen Bewunderung respektierten, die ein Krieger für den anderen hegt. Normalerweise missbilligte Cato solche Rührseligkeiten zwischen Männern, doch nicht heute Nacht. Heute betete er vielmehr mit jeder abergläubischen Faser seines Seins genau darum. Tincommius rief noch immer den Männern auf dem Wall Versprechungen zu, stellte ihnen einen ruhmreichen Sieg über den Adler in Aussicht und verlockte sie mit der Möglichkeit, sich den Ehrenplatz unter den keltischen
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