Cato 04 - Die Brüder des Adlers
wimmernd auf der Seite, bis Tincommius sich vor ihn stellte und ihn gegen den Kopf trat. Da rollte der Römer sich ein und verstummte.
Tincommius wandte sich wieder dem Tor zu und zeigte auf den Mann am Boden. »Entweder ihr ergebt euch jetzt, oder dieser Mann stirbt. Und dann, einer nach dem anderen, der Rest.«
36
»Damit ihr wisst, dass ich es ernst meine, schaut her …« Tincommius nickte einem Mann zu, der am Rand der Kolonne stand. Im Gegensatz zu den anderen Eingeborenen trug dieser nur eine schwere Holzkeule. Er trat vor, und stellte sich breitbeinig über den am Boden liegenden Römer. Dann schwang er die Keule und ließ sie auf das linke Schienbein des Mannes niederkrachen. Sogar aus fünfzig Schritt Entfernung hörten Cato und Macro die Knochen brechen. Der Schrei des Römers hallte wesentlich weiter. Als der Krieger dem Gefangenen auch das andere Bein brach, wurde es noch schlimmer – ein schrilles, animalisches Gebrüll reiner Pein, das allen, die es hörten, das Blut in den Adern gefrieren ließ. Der Römer wand sich im Schmutz der Straße, die gebrochenen Unterschenkel unnatürlich verrenkt, was ihm noch größere Qualen verursachte. Sein Geschrei verstummte erst, als er endlich das Bewusstsein verlor.
Tincommius ließ die Stille wirken, bevor er sich erneut an die Verteidiger wandte. »Das ist der Erste. Es werden weitere folgen, bis ihr zur Vernunft kommt und euch ergebt. Ihr könnt die Überlebenden mitnehmen, wenn ihr Calleva verlasst. Es ist deine eigene Entscheidung, Macro. Du kannst das hier jederzeit beenden.«
Oben auf dem Wehrgang sah Cato, dass Macro seinen Schwertgriff so fest umklammerte, bis seine Knöchel weiß wurden und die Sehnen unter der Haut heraustraten wie Eisennägel. Cato empfand eher Elend als Zorn. Von der Szene war ihm schlecht geworden, und Schweinebraten und Brot, die er gerade noch so genüsslich verspeist hatte, setzten nun seinen Magen in Aufruhr.
»Drecksack«, flüsterte Macro mit zusammengebissenen Zähnen. »Drecksack … Drecksack … DRECKSACK!«
Sein wütender Schrei hallte über die Straße, und Tincommius grinste bei diesem unbeherrschten Zornesausbruch.
»Verdammter Drecksack! Ich bring dich um! Das schwör ich dir! Ich bring dich um!«
»Zenturio, komm doch und versuch es. Ich erwarte dich!«
»Herr«, Cato legte Macro den Arm auf die Schulter. »Du darfst nicht …«
Macro sah sich wütend um. »Natürlich nicht! Hältst du mich für bescheuert?«
»Nein … aber du bist wütend, Herr. Wütend und hilflos. « Cato nickte zu den anderen Männern auf der Palisade hinüber, die voll Wut und Entsetzen auf die Straße hinunterstarrten. »Wie wir alle.«
Macro drehte sich um und sah, dass nicht nur alle Legionäre auf den Wehrgang gestiegen waren, sondern auch die Wölfe und einige von Vericas Leibwächtern.
Er wischte Catos Hand von seiner Schulter und brüllte die Männer an: »Wofür haltet ihr das hier eigentlich? Sind wir hier im Zirkus? Runter von der Palisade und zurück an euren Platz! Wollt ihr vielleicht, dass die Feinde einfach über den Zaun hüpfen, während ihr dieses Arschloch anglotzt? Die einzigen Männer, die ich hier oben sehen will, sind die Wachtposten. Marsch!«
Die Legionäre zogen sich mit schuldbewusster Miene zurück und stiegen wieder in die Umfriedung hinunter, von den Wölfen gefolgt, denen Cato gar keine Übersetzung hätte zurufen müssen. Macro starrte die Männer einen Moment lang wütend an und wandte sich dann wieder zu Tincommius um.
Sobald dieser sah, dass er nun wieder die Aufmerksamkeit des Zenturios hatte, rief er: »Macro, gibst du auf? Antworte! «
Der Zenturio stand schweigend da, die Lippen im wettergegerbten Gesicht zu einem Strich zusammengepresst. Von schrecklicher Verzweiflung übermannt, die Seele von Zorn und tiefstem Hass auf Tincommius erfüllt, musste er hilflos zusehen.
»Wie du meinst. Dann also der Nächste.« Tincommius befahl mit einem Wink, den nächsten Gefangenen zu bringen.
Die atrebatischen Krieger wählten einen jungen Mann aus, fast noch ein Junge, in dem Cato einen der Maultierhirten aus dem Nachschublager erkannte. Der Junge wich entsetzt zurück und schüttelte heftig den Kopf, doch sein Peiniger packte ihn beim Haarschopf und löste den Strick, der den Jungen mit den anderen Gefangenen verband. Mit einem heftigen Ruck riss er den Jungen aus der Gefangenenreihe und schleppte den zappelnd und schreiend sich Wehrenden an die Stelle, wo das erste Opfer lag. Macro blieb stehen,
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