Cato 04 - Die Brüder des Adlers
primitiven Ansammlung barbarischer Hütten, die man kaum als Stadt bezeichnen konnte. Hier also würden er, Macro, Silva und die anderen ihr Grab finden – im unbekannten, unzivilisierten, rückständigen Calleva. Für sie würde es keinen Platz in den Geschichtsbüchern geben.
Cato reckte sich und trat steifbeinig zu einem kleinen Feuer in der Mitte der Umfriedung. Macro überwachte einige Küchensklaven beim Zerlegen eines Schweins. Als ihm der Duft des Schweinebratens in die Nase stieg, merkte Cato, wie hungrig er war, und diesmal nahm er sich bereitwillig ein Stück Fleisch mit brutzelnder, braun gebrannter Kruste. Er nickte Macro einen Morgengruß zu.
»Daran beißt du dir die Zähne aus«, meinte Macro mit einem Lächeln.
»Was hat das Leben für einen Sinn, wenn man es nicht genießt«, gab Cato zurück. »Gibt es Brot?«
»Dort, im Korb.«
Cato hockte sich ans Feuer, aß langsam und genoss jeden Bissen Schweinebraten und das beste Brot des Königs. Er wunderte sich, dass er diese Mahlzeit so sehr genoss, und merkte dann, dass er sein Essen unter gewöhnlichen Umständen eilig hätte herunterschlingen müssen, um genug Zeit für seine Pflichten zu haben. Heute gab es dagegen keinen Grund zur Eile. Er konnte so lange essen, wie er wollte, oder zumindest so lange, wie die Durotriges es zuließen.
Nachdem Macro die Sklaven beauftragt hatte, die Verteidiger zu wecken und das Essen an sie auszuteilen, setzte er sich neben den jungen Zenturio, kaute zufrieden an einem gebratenen Lendenstück und wärmte sich am Feuer. Keiner der beiden sprach. Im bleichen Licht der Morgendämmerung erwachten die Verteidiger aus tiefem Schlaf und kauerten mit dem ausgeteilten Frühstück am Boden. Die meisten ließen sich die Köstlichkeiten aus dem königlichen Vorrat mit Appetit schmecken, doch einige waren zu erschöpft oder auch besorgt, ließen das Fleisch kalt werden und saßen wartend da.
Lange mussten sie nicht warten. Ein Wachposten auf dem Wehrgang über dem Tor rief nach Macro, und die beiden Zenturionen warfen sofort ihr Frühstück beiseite und eilten quer über den Platz zu ihm. Der dringliche Tonfall des Postens ließ sie ihre steifen Glieder vergessen und sie stiegen eilig die Leiter hinauf.
»Berichte«, befahl Macro.
»Herr, da hinten!« Der Legionär deutete auf die Straße. »Gerade sind ein paar von denen um die Ecke gekommen, haben kurz geschaut und sind zurückgerannt.«
»Und deswegen hast du mich beim Frühstück gestört?«
»Ja, Herr. Du sagtest …«
»Ich weiß, was ich gesagt habe, danke. Du hast es richtig gemacht, Junge. Wir bleiben eine Weile hier stehen und beobachten, ob irgendwas passiert.«
»Es passiert schon«, bemerkte Cato. »Schau.«
Etwa fünfzig Schritt entfernt bog eine einzelne Gestalt um die Ecke und schritt ohne Zögern auf sie zu. Er blieb außer Wurfweite stehen und legte die Hände an den Mund.
»Ihr lebt also beide noch!«, rief Tincommius. »Ich bin erleichtert! «
»Er ist erleichtert.« Macro hob die Augenbrauen und wechselte einen Blick mit Cato. »Wie rührend …«
»Ich mache euch ein letztes Angebot, euch zu ergeben und damit euch selbst und jene Angehörige meines Stammes zu retten, die so fehlgeleitet waren, Rom zu dienen.«
»Zu welchen Bedingungen?«, rief Macro.
»Denselben wie zuvor. Sicherer Abzug zur Legion.«
»Meine Antwort lautet Nein!«
»Das dachte ich mir!«
Cato war sich sicher, dass Tincommius einen Moment lang lächelte. Denn drehte der atrebatische Prinz sich um und rief einen Befehl. Hinter der Straßenbiegung ertönten laute Kommandos und Schmerzgeschrei. Dann stolperte von dort ein Menschenzug heran. Viele trugen Verbände und bei einigen waren Gesicht oder Gliedmaßen mit geronnenem Blut verschmiert. Einige trugen die rote römische Tunika und alle waren mit Lederriemen aneinander gefesselt. Zu beiden Seiten gingen mit Speeren bewaffnete Männer und trieben jene Gefangene, die zu langsam voranstolperten, mit leichten Stößen der spitzen Waffen an. Cato erkannte einige der Gesichter: Männer, die einmal unter den Wölfen und Keilern gedient hatten, sowie einige der griechischen und römischen Händler, die gehofft hatten, in Britannien ein Vermögen zu machen. Tincommius erteilte einen Befehl und die Kolonne stand still. Der erste Mann wurde von den anderen losgebunden und mit gefesselten Händen nach vorn geschleift. Seine Bewacher traten ihm von hinten in die Kniekehlen und der Römer fiel mit einem Schrei zu Boden. Er lag
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