Cato 04 - Die Brüder des Adlers
Vespasian biss ein weiteres Stück Brot ab und kaute. »Es sollte nicht einmal nötig sein, dass ihr Calleva verlasst.«
Cato und Macro entspannten sich.
»Wozu braucht ihr uns denn nun, Herr?«, hakte Macro nach.
»Ihr wisst, dass Zenturio Veranius gestern gefallen ist?«
»Ja, Herr. Wir haben es vom Torhaus aus beobachtet.« Macro war einen Moment lang in Versuchung, mit einem Nachsatz der Trauer Ausdruck zu verleihen, die man vermutlich von ihm erwartete. Doch es widerstrebte ihm, sich dazu herzugeben, umso mehr, als er Veranius nie sonderlich geschätzt hatte.
»Er war der einzige Offizier, den ich für das Kommando dieser Garnison entbehren konnte.«
In diesem Satz lag ein unausgesprochenes Urteil, und Macro war leicht überrascht, dass der Legat seine Meinung über den verstorbenen Zenturio teilte.
»Jetzt brauche ich also einen neuen Garnisonskommandanten. Diese Aufgabe solltest du auch in deiner Genesungszeit durchführen können.«
»Ich, Herr? Kommandant des Nachschublagers?« Macros Überraschung war mehr als deutlich zu sehen. Dann erfüllte ihn die Aussicht auf sein erstes unabhängiges Kommando mit warm glühendem Stolz. »Danke, Herr. Ja, ich würde mich freuen – mich geehrt fühlen –, diese Aufgabe zu übernehmen.«
»Das ist ein Befehl, Macro«, erwiderte Vespasian trocken. »Keine Einladung.«
»Oh, sicher.«
»Es gibt noch etwas.« Der Legat machte eine kurze Pause. »Ich möchte, dass ihr beide, du und Cato, hier in Calleva eine kleine Truppe für den König ausbildet. Ich denke da an eine doppelte Kohorte.«
»Zwei Kohorten?« Cato hob überrascht die Augenbrauen. »Das sind ja mehr als neunhundert Mann. Wo sollen wir die denn hernehmen, Herr? Ich bezweifle, dass es hier in Calleva genug Männer gibt, die geeignet wären.«
»Dann soll Verica den Aufruf verbreiten. Ich glaube kaum, dass es euch in der gegenwärtigen Lage an Freiwilligen fehlen wird. Sobald sie sich melden, sucht ihr die Geeigneten aus, unterrichtet sie in unserer Art der Kriegsführung und übernehmt dann die Rolle des Kommandanten, wobei ihr Verica persönlich verantwortlich seid.«
Macro kaute auf der Lippe.
»Hältst du das denn für klug, Herr? Den Atrebates Waffen zu geben? Ich dachte zumindest, der General verfolge die Politik, die Stämme zu entwaffnen. Selbst die mit uns verbündeten Stämme.«
»Das stimmt«, räumte Vespasian ein, »aber die Lage hat sich geändert. Ich kann keine zusätzlichen Männer entbehren, um Calleva zu beschützen oder mich mit diesen Überfällen auf unsere Nachschubkolonnen zu befassen. Da bleibt mir keine andere Wahl, als mich der Atrebates zu bedienen. Ihr fangt also so bald wie möglich mit der Ausbildung an. Ich muss noch heute zur Legion zurückkehren. Ich habe General Plautius eine Botschaft bezüglich unserer Pläne geschickt und ihn um die Erlaubnis ersucht, Vericas Männer mit Waffen aus unserem Nachschublager auszurüsten. Bildet sie aus und gebt ihnen zu essen, aber bewaffnet sie erst, wenn die Zustimmung des Generals da ist. Verstanden?«
»Ja, Herr«, antwortete Macro.
»Glaubt ihr, dass ihr der Aufgabe gewachsen seid?«
Macro hob die Augenbrauen und wiegte den Kopf. »Ich denke, wir können etwas aus ihnen machen. Kann nicht versprechen, dass Truppen für die vorderste Front daraus werden.«
»Wenn sie nur Verica und seinen Leuten ein Gefühl der Sicherheit geben und dafür sorgen, dass diese verdammten Durotriges es sich zweimal überlegen, bevor sie unsere Konvois angreifen. Sorgt aber vor allen Dingen dafür, dass Verica nichts zustößt. Sollte er abgesetzt werden oder sterben, werden die Atrebates sich möglicherweise gegen uns erheben. In diesem Fall … müssten wir unter Umständen die Eroberung der Insel abbrechen. Ihr könnt euch vorstellen, wie erfreut Rom darauf reagieren würde. Der Kaiser wäre sehr unzufrieden mit uns.« Vespasian sah die beiden Zenturionen eindringlich an, um seiner Warnung mehr Nachdruck zu verleihen. Sollte Britannien verloren gehen, würde es keine Gnade für die direkt verantwortlichen Offiziere geben: den Legaten der Zweiten Legion und die beiden Zenturionen, die er mit der Verteidigung Callevas und dem Schutz des atrebatischen Königs beauftragt hatte. »Sorgt also dafür, dass Verica am Leben bleibt, meine Herren. Mehr verlange ich nicht von euch. Erledigt den Auftrag ordentlich und dann könnt ihr beide zur Legion zurückkehren, sobald ihr wieder vollständig einsatzfähig seid.«
»Ja, Herr.«
»Nun gut.«
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