Cato 04 - Die Brüder des Adlers
Vespasian schob den Teller zur Seite und stand auf. »Vor meiner Rückkehr zur Legion habe ich noch einiges zu erledigen. Ich möchte, dass ihr sofort das Quartier hier bezieht und das Kommando über die Garnison übernehmt. Was die andere Angelegenheit betrifft, so müsst ihr zur königlichen Umfriedung gehen und einen von Vericas Ratgebern aufsuchen. Tincommius heißt er. Sagt ihm, was ihr braucht, und er wird das Notwendige veranlassen. Er wirkt durchaus verlässlich. Nun gut, bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit suche ich euch wieder auf. Viel Glück.«
Als Vespasian den Raum verlassen hatte, setzten Macro und Cato sich an den Tisch.
»Das gefällt mir nicht«, meinte Cato. »Der Legat geht ein Risiko ein, wenn er diese Eingeborenen bewaffnet. Wie loyal werden sie zu Verica stehen? Wie weit können wir ihnen vertrauen? Du hast ja gesehen, wie sie sich auf der Straße verhalten. Für Rom hat keiner etwas übrig.«
»Stimmt. Aber noch weniger für die Durotriges. Cato, denk darüber nach. Wir haben die Chance bekommen, eine eigene Armee aufzubauen und zu führen.«
»Es wird Vericas Armee sein und nicht die unsere.«
»Wenn wir mit ihnen fertig sind, sind sie nur noch formell gesehen Vericas Leute.«
Cato sah den erregten Schimmer in den Augen seines Freundes und wusste, dass es im Moment keinen Sinn hatte, ihm zu widersprechen. Cato sah voraus, dass die Ausbildung eines einheimischen Aufgebots weit schwieriger sein würde als das Training der Legionsrekruten. Man musste so vieles bedenken und die Sprache war nicht das kleinste Problem. Während der Monate in Calleva hatte er sich ein paar keltische Grundkenntnisse angeeignet, doch Cato wusste, dass er die schnellstmöglich vertiefen musste, wenn er wollte, dass die eingeborenen Freiwilligen ihn verstanden. In einer Hinsicht hatte Macro Recht: Es bot sich ihnen eine aufregende Chance. Sie konnten das Lazarett verlassen und die ersten behutsamen Schritte zurück zu einem normalen Soldatenleben tun.
6
Die Sonne war noch nicht über die Mauern des Nachschublagers geklettert, als Zenturio Macro aus dem Hauptquartier trat. Er steckte in seiner vollständigen Uniform, von den Stiefeln mit dem genagelten Sohlenprofil über die versilberten Beinschienen und das Kettenhemd mit dem Brustschmuck der Orden bis zum Helm mit dem imposanten Helmbusch, der im Schatten der Befestigungswälle düster schimmerte. In der Hand trug er einen Offiziersstock aus Rebenholz, Symbol des ihm vom Kaiser, dem Senat und dem römischen Volk verliehenen Rechts, römische Bürger, deren körperliche Unversehrtheit ansonsten heilig war, zu züchtigen. Er drehte den Stock zwischen den Fingern der rechten Hand, als er auf die schweigende Menge der Eingeborenen zuging, die auf dem Exerzierplatz des Lagers versammelt war. Seit sich die Nachricht über die Bildung von Eingeborenenkohorten von der atrebatischen Hauptstadt aus verbreitet hatte, waren zusätzlich zu den Männern Callevas auch Tausende von Freiwilligen aus dem Umland herbeigeströmt, um sich mustern zu lassen.
Nachdem Macro wegen einer Kopfwunde beinahe zwei Monate im Lazarett zugebracht hatte, tat es ihm gut, wieder zur vertrauten Routine des Zenturiolebens zurückzukehren. Nein, verbesserte er sich, von gelegentlichen mörderischen Kopfschmerzattacken abgesehen tat es ihm nicht einfach nur gut, es war verdammt noch mal ein wunderbares Gefühl. Mit stolzgeschwellter Brust trat er zufrieden pfeifend auf seine neuen Rekruten zu.
Zenturio Cato stand auf der einen Seite der Menge und unterhielt sich mit Tincommius. Cato trug heute zum ersten Mal Uniform und Ausrüstung eines Zenturios, und Macro fand, dass sie ihm kein bisschen besser stand als die des Optios. Cato war groß und dünn, und das Kettenhemd schien eher von dem jungen Mann herabzuhängen als ihm am Leib zu sitzen. Den Offiziersstock hielt er äußerst unbeholfen, und man konnte sich nur schwer vorstellen, dass Cato ihn einem widerspenstigen Legionär oder auch nur einem Eingeborenen über den Rücken schlagen würde. Catos Genesungszeit im Krankenhaus hatte seinem ohnehin mageren Körper nicht gut getan und daran, dass seine Beinschienen sich hinten sogar leicht überlappten, sah man deutlich, dass seine Beinmuskeln geschrumpft waren.
Im Gegensatz dazu war Tincommius offensichtlich bei bester Gesundheit, und obgleich er Cato sogar noch überragte, war er gleichzeitig kräftig gebaut und sah so aus, als wäre er sowohl gewandt als auch stark. Der junge
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