Cato 05 - Beute des Adlers
das Tor gestoßen und wieder mit den anderen zusammengekettet wurde. Sofort rutschte Figulus auf seinen Centurio zu.
»Alles in Ordnung, Herr?«
»Ja … alles klar.«
»Was wollte er von dir?«
Diese Frage stellte Figulus jedes Mal nach Catos Rückkehr, und Cato musste angesichts dieses Rituals lächeln.
»Ich glaube, ich weiß, wie wir hier lebend rauskommen.«
Cato berichtete, was er beobachtet und was Caratacus gesagt hatte. »Aber behalte das für dich. Wenn ich mich irre, machen wir den Männern ganz umsonst falsche Hoffnungen.«
Figululus nickte. »Glaubst du wirklich, dass er sich ergeben wird?«
»Er wird sich nicht ergeben, dafür ist er zu stolz. Er wird sich niemals ergeben. Aber sie werden sich schon irgendwie einig werden.«
»Das würde mir schon reichen.« Figulus lächelte. »Das würde uns allen reichen.«
»Ja.« Cato lehnte den Kopf gegen den Zaun und sah zu den Sternen auf, die wie kleine Leuchtfeuer über die dunkle Tiefe des Nachthimmels verstreut waren. Die Luft war so klar, dass die Gestirne nicht wie üblich schimmerten und funkelten. Die Sterne wirkten still und friedlich. Bei diesem Gedanken musste Cato lächeln. Das war ein gutes Vorzeichen. Wenn sich der keltische König im Einklang mit den Sternen befand, war alles möglich. Sogar Frieden.
Figulus beugte sich vor. »Und dann?«, flüsterte er.
»Dann?« Cato überlegte einen Augenblick lang. Er hatte tatsächlich keine Ahnung. Seit er zur Zweiten Legion gestoßen war, hatte er sich fast ununterbrochen im Kampf mit verschiedenen Feinden befunden. Erst war es ein Barbarenstamm am Rhein gewesen, dann die große Invasion Britanniens. Ein ständiger Krieg. Doch sobald er vorüber war, würden sie zum wohlgeordneten Alltag aus Exerzieren und Patrouillieren übergehen. Aber ein solches Leben konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen. »Ich weiß nicht. Aber es wird ganz anders werden. Schöner. Und jetzt lass mich schlafen.«
»Ja, Herr.«
Figulus entfernte sich von ihm. Cato sank gegen den Zaun zurück und starrte weiter in den Himmel. Eine Weile lang genoss er das Gefühl, dass eine große Last von seiner Seele gefallen war. Dann schlossen sich langsam seine Augen, die Sterne verschwammen, und kurz darauf fiel er in einen tiefen Schlaf.
Grobe Hände rissen ihn aus dem Schlummer und stellten ihn mit einem brutalen Ruck auf die Beine. Cato zwinkerte und schüttelte verwirrt und verängstigt den Kopf. Der Krieger, der ihn bisher immer zu Caratacus gebracht hatte, war eifrig damit beschäftigt, die Kette zu lösen, die ihn mit den anderen Gefangenen verband. Neben ihm wurden weitere sechs Männer von ihren Fesseln befreit und aus dem Pferch geführt. Die anderen Legionäre waren inzwischen aufgewacht und flüsterten erregt durcheinander.
»Was ist los?«, fragte Cato. »Wo bringt ihr diese Männer hin?«
Ohne zu antworten schlug der Krieger Cato plötzlich mit dem Handrücken ins Gesicht. Der Schock und der brennende Schmerz brachten Cato zu vollem Bewusstsein. Er taumelte einen Schritt zurück.
»Was … ?«
»Maul halten«, grunzte der Mann. »Kein Wort mehr, sonst verpass ’ ich dir noch eine.«
Er schubste Cato so heftig durch das Tor im Zaun, dass der Centurio vornüber in den Schlamm fiel. Dann wurde es hinter ihm geschlossen, und einer der Wachposten steckte den Bolzen wieder in den Riegel zurück.
»Hoch mit dir, Römer!«
Mit gefesselten Händen rollte Cato auf die Knie und rappelte sich auf. Sofort wurde er vom Pferch weg und zu einer Gruppe Reiter geführt, die gleich in der Nähe gerade ihre Pferde bestiegen. Als Cato sich im Zwielicht des Sonnenaufgangs den schattenhaften Gestalten näherte, erkannte er Caratacus, der schweigend im Sattel saß. Ihre Blicke trafen sich kurz. Bevor Caratacus sich abwandte, konnte Cato seine kühle, hasserfüllte und verbitterte Miene erkennen. Ihm lief es kalt den Rücken hinunter. Irgendetwas war vorgefallen. Etwas Grässliches, das alle Hoffnung auf Friedensgespräche zwischen Caratacus und den Römern zu Grabe trug. In den Augen des Heeresführers lag nur noch kalte Mordlust. Cato sah sich um. Die anderen sechs Männer aus dem Pferch wurden unter Waffengewalt in die Schatten getrieben.
»Wo bringst du sie hin?«, fragte er Caratacus.
Er erhielt keine Antwort, noch nicht einmal einen Hinweis darauf, dass Caratacus seine Worte überhaupt gehört hatte.
»Wo sind … ?«
»Ruhe!«, brüllte sein Bewacher und rammte Cato seine Faust in den Magen. Keuchend krümmte
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