Cato 05 - Beute des Adlers
sich gab. Sofort packte das Tier das Fleisch mit seinem gewaltigen Gebiss, legte eine zottelige Pfote auf den Knochen und begann zu fressen. Hungrig und verzweifelt beobachtete Cato, wie die lange rosa Zunge über das Lammfleisch fuhr. Ihm wurde übel, er riss sich von diesem Anblick los und wandte sich wieder dem feindlichen Heerführer zu. Caratacus beobachtete ihn mit ungläubiger Belustigung.
»Ich frage mich, wie viele von euren Centurionen es dir gleichgetan hätten.«
»Alle«, antwortete Cato schnell, und Caratacus lachte.
»Das ist schwer zu glauben. Römer, du bist nicht so typisch für deinen Schlag, wie du mir weismachen willst.«
Cato vermutete, dass dies als Kompliment gemeint war, was ihn noch tiefer beschämte.
»Ganz im Gegenteil. Die meisten Centurionen sind viel bessere Soldaten als ich.«
»Wenn du das sagst.« Caratacus lächelte verschmitzt. »Nun, wenn du der schlechteste bist, dann muss ich mir wirklich Sorgen machen.« Er riss einen schmalen Fleischstreifen von einem weiteren Schlegel, kaute langsam darauf herum und starrte gedankenverloren in die Schatten zwischen den Dachbalken der Hütte. »Ich weiß nicht, ob wir solche Männer wie dich jemals besiegen können. Tausende und Abertausende meiner besten Krieger sind durch eure Hand gestorben. Die Tapfersten einer ganzen Generation. Nie wieder werden wir ähnliche Kämpfer erleben. Der große Sturm der Stämme wird bald schon nur noch eine Erinnerung der Wenigen sein, die an meiner Seite streiten. Und die anderen? Das Wehklagen ihrer Frauen und Mütter hallen durchs ganze Land, und doch brachte ihr Opfer nicht den Sieg – nur Ruhm. Wenn unser Kampf umsonst ist, was ist dann ein ehrenhafter Tod wert? Er ist nicht mehr als eine Geste.«
Er hörte auf zu kauen und spuckte ein kleines Knorpelstück aus.
Cato räusperte sich leise. »Dann lass General Plautius eine Nachricht zukommen. Sag ihm, dass du den Frieden willst. Zu ehrenhaften Bedingungen. Wir müssen nicht Feinde sein. Such den Frieden, und dein Volk wird einen Platz in unserem Imperium finden.«
Caratacus schüttelte betrübt den Kopf. »Nein. Das haben wir doch schon besprochen, Römer. Frieden um jeden Preis? Das ist ein Freibrief für die Sklaverei.«
»Deinem Volk bleibt nur die Wahl zwischen dem Frieden und dem Tod.«
Caratacus starrte ihn schweigend an und dachte über Catos Worte nach. Schließlich runzelte er die Stirn und fuhr langsam mit den Fingern durchs Haar.
»Verschwinde, Cato. Ich muss nachdenken.«
Zu seiner Überraschung spürte Cato, wie er mit einem Mal großes Mitleid für Caratacus empfand. Er, der so lange ein unbarmherziger, unermüdlicher Feind gewesen war, war letzten Endes doch nur ein Mann. Ein kriegsmüder Mann, der die Traditionen seines Volkes seit dem Augenblick, in dem er alt genug gewesen war, um ein Schwert zu halten, stets hochgehalten und geehrt hatte. Er wusste nicht, wie man Frieden schloss. Cato beobachtete ihn einen Moment lang und war versucht, seinem Widersacher einige Worte der Ermutigung oder sogar der Anteilnahme zukommen zu lassen. Doch dann sah Caratacus auf und bemerkte, dass der Römer noch immer zugegen war. Er blinzelte und setzte sich gerade auf. »Worauf wartest du noch, Römer? Verschwinde.«
Während er zu dem stinkenden Pferch zurückgeführt wurde, in dem die Gefangenen nach wie vor festgehalten wurden, verspürte Cato zum ersten Mal seit vielen Tagen wieder Hoffnung in sich aufsteigen. Nein, das war noch viel länger her. Nach zwei langen, blutigen Jahren des Kampfes war der Feind kurz davor, sich seine Niederlage einzugestehen. Je länger er über die Worte und das Gebaren seines Gegners nachdachte, umso sicherer war er, dass Caratacus Frieden für sein Volk wollte. Nach einem letzten verzweifelten und entschlossenen Versuch, die Legionen zu besiegen, hatte selbst er eingesehen, dass Roms Absicht, diese Insel seinem Imperium hinzuzufügen, unerschütterlich war.
In Wahrheit war Cato nicht ganz ehrlich zu Caratacus gewesen. Die Behauptung, dass der Widerstand der Einheimischen gegen die Römer zwecklos war, klang in seinen Ohren sehr unglaubwürdig. Schließlich waren die Legionen gezwungen gewesen, sich jede Meile der Insel teuer zu erkämpfen. Sie mussten ständig ihre Flanken im Auge behalten und in Angst davor leben, dass sie der Feind überraschend angriff, niedermachte und bis zum nächsten Überfall spurlos verschwand.
Die Legionäre im Pferch, die noch nicht eingeschlafen waren, sahen auf, als Cato durch
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