Cato 10 - Die Legion
Aurelius war in einer gefährlich aufgekratzten Stimmung. Macro hatte lange genug in den Legionen gedient, um die Symptome zu kennen. Nachdem er eine Verletzung überlebt hatte, auch wenn es eigentlich nur ein Kratzer war, fühlte Aurelius sich unverwundbar. Er musste seinen Männern nichts mehr beweisen. Er hatte auf dem Schlachtfeld geblutet und sich das Recht verdient, ihnen eine Fortsetzung des Kampfes zu befehlen, um welchen Preis auch immer. Diese Hochstimmung würde in ein paar Stunden weichen, das wusste Macro. So lief es immer, wenn jemand dem Tod knapp entronnen war. Bald würde wieder die kalte Vernunft den Kampfeseifer des Legaten dämpfen. Die Kunst würde darin bestehen, die Kampfeslust des Mannes zu bezähmen, bis die geeigneten Maßnahmen für den nächsten Angriff auf den Tempel ergriffen waren.
»Wir werden den Tempel mit Sicherheit einnehmen, Herr«, stimmte Macro zu. »Sobald wir unsere Vorbereitungen getroffen haben.«
»Vorbereitungen?«
»Natürlich, Herr. Wir müssen die Ballisten nach vorne führen, um den Angriff aus der Nähe zu decken. Wenn wir einige Öffnungen in die Lehmziegelmauer schlagen, können die Ballisten mühelos die feindlichen Bogenschützen niederschießen, ohne dass wir unsere Bedienungsmannschaften dem feindlichen Gegenfeuer aussetzen. Außerdem sollten wir dafür sorgen, dass alle Fluchtwege aus dem Tempel versperrt sind.« Macro nickte Hamedes zu. »Dieser Mann hier war früher Priester. Er kennt den Grundriss des Tempels. Er hat ihn erst vor Kurzem besucht, nicht wahr?«
Hamedes nickte befangen. Die führenden Offiziere der Legion machten ihn nervös. »Jawohl, Herr.«
»Dann sag uns, was du weißt«, fuhr Macro fort. »Wie viele Ausgänge hat der Tempel?«
Hamedes sammelte sich so gut er konnte und antwortete dann. »Da ist der Haupteingang beim Hauptpylon. Die Tore dort sind riesig, Herr. Mindestens eine Handbreit dick. Außerdem liegt davor noch ein kleiner Hof, der durch ein weiteres Tor versperrt ist. Außer dem Haupteingang gibt es zwei Eingänge zu beiden Seiten des Haupttempels. Der Eingang, den wir vorhin angegriffen haben, und noch ein weiterer auf der gegenüberliegenden Seite. Den haben sie gewiss ebenfalls befestigt.«
»Nun, es gibt nur eine Möglichkeit, das mit Sicherheit zu erfahren«, antwortete Aurelius gereizt. »Ich möchte, dass du dort hingehst und nachschaust. Erstatte Centurio Macro Bericht, sobald du zurück bist.«
Hamedes warf Macro, der fast unmerklich nickte, einen Blick zu. Er schluckte und senkte den Kopf. »Wie du befiehlst, Herr.«
Er ging zögernd in Richtung Tempel davon und wurde bald von der Dunkelheit verschluckt. Aurelius wandte sich wieder Macro zu. »Solange Cato außer Gefecht gesetzt ist, bist du mein Unterbefehlshaber. Du bist ein erfahrener Soldat, wir werden also tun, was du vorschlägst. Schafft die Ballisten nach vorn. Tu, was immer sonst noch nötig ist, damit der nächste Angriff ein Erfolg wird. Verstanden?«
»Jawohl, Herr.« Macro nickte.
»Und sorge dafür, dass der Feind keine Fluchtmöglichkeit findet. Ich möchte, dass alle getötet oder gefangen genommen werden.« Aurelius führte die Hand an die Stirn. »Jetzt muss ich mich ausruhen. Meine Wunde hat mich geschwächt. Weckt mich, sobald wir mit dem zweiten Angriff beginnen können.«
Die Nacht rückte vor, und am Horizont ging der Vollmond auf. Die Verteidiger des Tempels hörten genau, wie die Römer ihre Vorbereitungen trafen: die stetigen Schläge, mit denen sie Löcher in die Außenmauer aus Lehmziegeln meißelten, das Sägen von Holz und das Hämmern, mit dem Nägel eingeschlagen wurden. Die Römer arbeiteten außer Sichtweite des Tempels im Licht einiger Feuer hinter einem Hügel, der zweihundert Meter von der Lehmziegelmauer entfernt lag. Von der Spitze des Pylonen konnte Ajax gerade noch einige der Legionäre bei der Arbeit erspähen. Er vermutete, dass sie neue Angriffsrampen bauten, und höchstwahrscheinlich auch eine Ramme. Falls der Angriff mit den Rampen fehlschlug, würden sie mit der Ramme sicherlich Erfolg haben und die grob gezimmerte Barrikade niederreißen. Danach würde nichts mehr die Römer daran hindern, sich in den Tempel vorzukämpfen und die Verteidiger zu erschlagen.
Ajax hatte bereits erwogen, einen Ausfall zu versuchen, aber er hatte früher in der Nacht die Legionäre gesehen, die um den Tempel patrouillierten, und außerdem hatten kleinere Gruppen methodisch Hindernisse auf dem Boden ausgelegt. Vermutlich Fußangeln.
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