Cato 10 - Die Legion
leisen Pfiff aus. Sofort lösten sich zwanzig dunkle Gestalten aus dem Schilf und trotteten auf sie zu. Als sie sich um Ajax versammelt hatten, zeigte er auf die Gestalten der auf dem Boden schlafenden Männer. Sie hatten sich weit genug von den Dattelpalmen zur Ruhe gelegt, damit nachts keine Skorpione oder Schlangen auf sie fallen konnten. »Tötet sie, und zwar leise«, befahl Ajax. »Los.«
Seine Männer schlichen sich zwischen die schlafenden Römer, knieten sich neben sie, hielten ihnen mit einer Hand den Mund zu und schlitzten ihnen mit der anderen die Kehle auf. Hier und dort kämpfte ein Opfer kurz, und ein Römer schaffte es, einen gurgelnden Schrei auszustoßen, bevor er rasch zum Schweigen gebracht wurde. Als der letzte Gegner tot war, führte Ajax seine Männer zu den Pferden. Die Sättel lagen ordentlich auf einer Seite, und es dauerte nicht lange, sie den Tieren aufzulegen. Kurz nach dem Beginn des Gemetzels saßen Ajax und seine Männer zu Pferd, und nur Canthus ging noch zu Fuß.
»Du bist dir sicher, dass du zurückkehren möchtest?«, fragte Ajax.
»Jawohl, General.«
»Wenn sie entdecken, dass du ein Spion bist – und das werden sie früher oder später –, kannst du nicht mit Gnade rechnen.«
»Ich werde wachsam sein. Außerdem macht mir der Betrug Spaß. So eine Rolle habe ich noch nie zuvor gespielt.« Canthus’ Lächeln verblasste, und er nickte nach Osten hin, wo der erste Schimmer des kommenden Tages sich über dem Dunstschleier des Nil ausbreitete. »Ihr reitet jetzt besser los.« Er reckte sich und ergriff Ajax’ Hand. »Möge Fortuna mit dir reiten, mein General.«
Ajax nickte dankbar, ließ die Hand des Mannes los, ergriff die Zügel und setzte sein Pferd zu den Hügeln im Westen hin in Bewegung. Er beabsichtigte, in das Ödland hinauszureiten, weg von den römischen Truppen, die den Tempel umzingelten. Danach würden sie stromaufwärts reiten und eine geeignete Stelle finden, um den Nil zu überqueren und sich mit Prinz Talmis und seiner Armee zu vereinen.
Er hatte den Wunsch des Prinzen erfüllt. Die Kolonne hatte den Feind abgelenkt und ihm schwere Verluste zugefügt. Mit etwas Glück würde eine Bedrohung von beiden Seiten des Stroms die Römer erwarten und ihre ohnehin schon schwachen Kräfte aufteilen. Allerdings war Ajax’ Kolonne verloren gegangen, und er rechnete mit einem frostigen Empfang vonseiten seines Verbündeten.
Er stieß seinem Pferd die Fersen in die Weichen und trieb es zum Trab an. Sie ließen den Spion zwischen den Leichen der römischen Kavallerieschwadron zurück. Canthus sah Ajax kurz nach, machte dann kehrt und eilte in Richtung Tempel zurück, um sich den Römern wieder anzuschließen, bevor sie ihn vermissten.
Kapitel 28
D
ie kleine Reiterkolonne war noch keine halbe Meile über die Getreidefelder geritten, da wich das Grün plötzlich einem sandigen Ödland. Hier wurde nicht mehr bewässert. Es gab hier keine Deckung, und Ajax zügelte sein Pferd und betrachtete die Landschaft, die sich vor ihm auftat. Zu seiner Rechten erhoben sich die Sandsteinfelsen und Hügel zu einer Barriere, die sich auf der einen Seite in die Wüste erstreckte und auf der anderen das Niltal säumte. Die höchsten Felsen leuchteten bereits in den ersten Strahlen der aufgehenden Sonne, und ein schwaches Licht breitete sich über der Landschaft aus, die noch immer im Schatten der zurückweichenden Nacht lag.
Ajax schnalzte mit der Zunge, trieb sein Pferd in die Wüste hinaus und winkte seinen Männern, ihm zu folgen. Und mit einem Schlag fühlte er sich preisgegeben, ausgeliefert. Hier gab es kein Versteck, und es war entscheidend, dass sie den letzten Rest Dunkelheit bestmöglich ausnutzten. Er trieb sein Pferd zu einem leichten Galopp an, und seine Männer folgten seinem Beispiel. Bei ihrem Ritt durch den Sand wirbelten sie eine kleine Staubwolke über sich auf.
»Das gefällt mir gar nicht, General«, sagte Karim, der sich nach dem Tempelkomplex umschaute. Dieser erhob sich massig über die grau verwischten Felder und die geisterhaften Formen der Palmenwäldchen. »Sie könnten uns jeden Moment entdecken.«
»In diesem Fall werden sie uns für eine ihrer Kavalleriepatrouillen halten.«
»Und falls nicht?«
Ajax zuckte mit den Schultern. »Dann werden wir sehen, wie gut unsere Pferde sind.«
Das Licht wurde stärker und warf sein warmes, dämmriges Leuchten über das trockene Ödland. Links von ihnen erklang eine römische Trompete. Es folgte eine kurze Pause,
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