Cato 10 - Die Legion
der Kaiser eine ausreichend große Armee zusammengezogen hätte, um die Nubier wieder zu vertreiben. Unterdessen könnten die Feinde der Weizenproduktion einen immensen Schaden zufügen und die Städte an den Ufern des Nil zerstören. Die Verluste wären so groß, dass die Provinz sich erst in Jahren davon erholen würde. Genau dasselbe Schicksal steht Ägypten bevor, wenn wir einfach nur auf unseren Ärschen sitzen und darauf warten, dass man uns einen neuen Befehlshaber schickt. Es gibt nur eine einzige Vorgehensweise, die uns die Gelegenheit verschafft, die Armee und die Provinz zu retten: Wir müssen sofort gegen den Feind losschlagen, mit jedem Mann, den wir aufbieten können.« Cato hielt inne und betrachtete die Gesichter der Offiziere. Diese Männer musste er für sich gewinnen, wenn er Aussicht auf Erfolg haben wollte. Er mäßigte seinen Tonfall und ergriff erneut das Wort.
»Ich muss euch meine Handlungsweise nicht erklären, meine Herren. Ich habe im Rahmen der Vorschriften gehandelt, die im Namen Kaiser Claudius’ von der kaiserlichen Militärverwaltung erlassen worden sind. Das sollte unter normalen Umständen genügen. Ich räume ein, dass die Situation ein wenig ungewöhnlich ist, aber wann ist Krieg je eine saubere und ordentliche Angelegenheit? Bis vor Kurzem war die Zweiundzwanzigste Legion eine reine Besatzungstruppe. Die einzigen Kampfhandlungen, die viele von euch und euren Männern erlebt haben, sind kleinere Scharmützel im Rahmen irgendeiner Strafaktion gegen Räuberbanden oder etwas in der Art. Im Vergleich zu den anderen Legionen, in denen Centurio Macro und ich die Ehre hatten zu dienen, sind die Schakale, offen gestanden, zweitrangig. Gewiss, die Männer wurden vorschriftsmäßig ausgebildet und exerziert, aber ihnen fehlt die Kampferfahrung. Doch diese ist die Nagelprobe für den Wert eines Soldaten. Kampferfahrung ist eine hart erworbene Eigenschaft. Nun hatten einige der Männer beim Angriff auf den Tempel Gelegenheit, ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen, und sie haben ihre Sache gut gemacht. Aber den meisten einfachen Soldaten und Offizieren steht diese Prüfung noch bevor. Dazu gehörst auch du, Centurio Aescher. Ich sage das nicht aus dem Wunsch heraus, deine Stellung zu untergraben, sondern weil es der Wahrheit entspricht. Die andere Tatsache, die sich nicht bestreiten lässt, ist, dass sowohl Centurio Macro als auch ich beträchtliche Feldzugs- und Kampferfahrung besitzen. Es sollte euch eigentlich beruhigen, dass nun wir euch in die Schlacht führen. Ich kann mir als Vorbild für die Männer keinen mutigeren Mann als Centurio Macro denken.«
Macro regte sich bei den Worten seines Freundes verlegen. Dann legte er sein Gesicht in strenge Falten und stand stocksteif da.
»Die Schakale haben das Potenzial, ausgezeichnete Soldaten zu sein«, fuhr Cato fort. »Und der Kampf gegen die Nubier verschafft ihnen Gelegenheit, ein Siegeszeichen für ihre Adlerstandarte zu erringen. Aber ich werde euch nicht über das Ausmaß der Herausforderung belügen, der wir uns gegenübersehen. Ihr müsst verstehen und euren Männern klarmachen, dass wir am Scheideweg stehen, wenn wir dem Feind entgegenmarschieren – der eine Weg führt zum Sieg, der andere zum sicheren Tod. Jetzt, da Centurio Macro und ich das Kommando übernommen haben, stehen eure Chancen besser. Der Rest liegt bei euch. Vergesst die Vergangenheit. Vergesst eure Pläne für die Zukunft. Denkt nur daran, euren Feind zu töten. Das allein zählt. Es ist eine leicht zu verstehende Philosophie, meine Herren, und sie hat Centurio Macro und mir in den Jahren unserer gemeinsamen Kämpfe gut gedient. Oder nicht?«
»Jawohl, Herr!« Macro nickte.
Cato holte tief Luft und blickte sich unter den Offizieren um. In ihren Mienen war hier und da Entschlossenheit aufgeflammt. Das war gut. Einige seiner Worte hatten Wirkung gezeigt. Er hatte getan, was er konnte, um seine Offiziere in die richtige Geistesverfassung zu versetzen und ihre Entschlossenheit im Angesicht der bevorstehenden großen Prüfung zu stärken. »Die Armee marschiert morgen beim ersten Tageslicht von Karnak los. Ihr habt den Rest des Tages, um eure Männer, die Ausrüstung und die Vorräte vorzubereiten. Wegtreten!«
Die Offiziere standen auf und verließen den Hof. Viele unterhielten sich in gedämpftem Tonfall. Macro stand reglos da, bis der Letzte von ihnen gegangen war. Dann sanken seine Schultern ein wenig nach unten, und er stieß einen langen, erschöpften
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